WirtschaftAfrika Wie Afrikas Superreiche zum Gemeinwohl beitragen könnten David Ehl30.01.202530. Januar 2025Viele afrikanische Staaten haben akute Geldsorgen. Gleichzeitig leben 135.000 Millionäre und sogar 21 Milliardäre auf dem Kontinent. In einigen Ländern wächst der Druck, über Vermögenssteuern nachzudenken.https://p.dw.com/p/4pmOAIn keinem Land der Welt sind die Einkommen so ungleich verteilt wie in SüdafrikaBild: Nic Bothma/Matrix Images/picture allianceAnzeigeBessere Gesundheitsversorgung, Schulen, Straßen – es gäbe so viele sinnvolle Investitionsmöglichkeiten. Nur das Geld dafür fehlt. Afrikanische Staaten ächzen unter immer höherer Schuldenlast. Schon seit Jahren sind die durchschnittlichen Ausgaben für Tilgungen höher als für Gesundheit. Infolge der Corona-Pandemie sind die Verbindlichkeiten noch einmal explosionsartig angestiegen – und damit auch auch die Nöte vieler Regierungen. Dazu kommt, dass die Inflation ihre Spielräume noch weiter verkleinert. Um diesen Kreislauf irgendwie zu durchbrechen, müssen die Regierungen also neue Geldquellen anzapfen. „Viele Länder entscheiden sich für den leichtesten Weg, sie ernten die Früchte, die am niedrigsten hängen“, sagt Alvin Mosioma. Der Steuerexperte ist stellvertretender Direktor eines Wirtschafts- und Klimaprogrammes bei der Open Society Foundation in Nairobi. „Die Regierungen erheben Verbrauchssteuern, weil sie wissen, dass die Menschen konsumieren müssen. So einer Steuer kann man nicht entkommen“, sagt Mosioma im DW-Gespräch. Verbrauchssteuern ernten den Zorn der Bevölkerung In Mosiomas Heimatland Kenia ließ sich gut beobachten, wie die von der Inflation genauso betroffene Bevölkerung auf solche Pläne reagiert: Als Präsident William Ruto im Juni 2024 die Absicht verkündete, die Staatsverschuldung mittels neuer Steuern auf Lebensmittel und Verbrauchsgüter zu verringern, formierte sich breiter Widerstand. Schließlich zwangen die Demonstranten Ruto dazu, die Pläne zurückzuziehen und große Teile seines Kabinetts auszutauschen.Widerstand gegen Steuerpläne: In Kenia hatte die Inflation schon viele Menschen in wirtschaftliche Bedrängnis gebracht, bevor die Regierung die Verbrauchssteuern obendrauf satteln wollteBild: LUIS TATO/AFP/Getty Images Die hauptsächlich von der Generation Z getragenen Proteste inspirierten auch Menschen in Ländern wie Nigeria, Uganda und Ghana zu eigenen Kundgebungen. Dort ging es weniger um konkrete Regierungspläne, sondern allgemeiner um die immer höheren Lebenshaltungskosten, die vielen ärmeren Menschen zusetzen. Wie man der Ungleichheit politisch begegne, dafür müsse jedes Land das Vermögensniveau individuell berechnen, erklärt Mosioma: „Man sollte sich nicht darauf beschränken, zu sagen, Reiche sind Dollar-Millionäre oder Personen, die auf der Forbes-Liste stehen. In Kenia ist jemand mit einem Vermögen von 50 Millionen Shilling (umgerechnet rund 372.000 Euro) vergleichsweise reich gegenüber jemandem, der gar nichts besitzt.“ Die Rufe nach einer Vermögenssteuer werden lauter Die sozialen Unterschiede zwischen Arm und Reich werden immer drastischer – nicht nur in Afrika. Das untermauert auch ein neuer Bericht der NGO Oxfam: Die Vermögen der Milliardäre weltweit seien 2024 dreimal so schnell gewachsen wie noch im Vorjahr, schreibt Oxfam. Die NGO schlägt deshalb eine Vermögenssteuer vor – und gibt damit einer Debatte neues Futter, die schon länger geführt wird. Im November verständigten sich die G20 unter Brasiliens Führung auf einen Formelkompromiss zur effektiveren Besteuerung von Superreichen. Ein ambitionierterer Vorschlag, Superreichen eine jährliche Steuer in Höhe von zwei Prozent ihres Vermögens aufzuerlegen, scheiterte am Widerstand Deutschlands und der USA. Südafrika hat im Rahmen seiner aktuellen G20-Präsidentschaft das Thema erneut auf seiner Prioritätenliste. Im April 2020 forderten mehrere südafrikanische Wissenschaftler die Einführung einer solidarischen Vermögenssteuer, um mit den Einnahmen Corona-Hilfen zu finanzieren. Einer von ihnen war der Ökonom Aroop Chatterjee, der an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg zu Vermögensungleichheit forscht. Im DW-Gespräch gibt er zu bedenken: „Um Ungleichheit zu bekämpfen, muss man unter die Oberfläche gehen und die Prozesse beeinflussen, die die Ungleichheit verursachen. Eine Vermögenssteuer ist nur ein politisches Werkzeug, das wir vorgeschlagen haben, um Einnahmen zu generieren. Danach muss noch viel mehr passieren.“ Außerdem müsse man die abschreckende Wirkung einer Vermögenssteuer einkalkulieren: „Es gibt immer die Gefahr von Kapitalflucht, also legaler Steuervermeidung und illegaler Steuerhinterziehung“, sagt Chatterjee. „Aber wir haben bei unseren Berechnungen beides großzügig miteinberechnet.“ Südafrika hat die meisten Millionäre – und die größte Ungleichheit In keinem Land der Welt sind die Einkommen so ungleich verteilt wie in Südafrika. Es nimmt in den Berechnungen der Weltbank regelmäßig den Spitzenplatz beim sogenannten Gini-Koeffizienten ein, einer mathematischen Kennzahl, die die Ungleichheit an verschiedenen Orten vergleichbar macht. Chatterjee erklärt das mit den historischen und institutionellen Voraussetzungen in Südafrika, „aufgrund der während Kolonialzeit und Apartheid gebildeten Muster der Anhäufung. Dazu zählt die rassistische Diskriminierung beim Grundbesitz und der wirtschaftlichen Teilhabe insgesamt.“ All das habe zu der außerordentlich großen Ungleichheit in Südafrika beigetragen. Tatsächlich ist Südafrika mit großem Abstand auch in anderen Erhebungen vorne: Der „Africa Wealth Report“ der weltweit tätigen britischen Beratungsgesellschaft Henley & Partners listet in Südafrika 37.500 Dollar-Millionäre – also Personen, deren Vermögen eine Million US-Dollar übersteigt, darunter fünf Milliardäre. Das ist mehr als ein Viertel aller afrikanischen Millionäre. Und auch heruntergebrochen auf Städte liegt Südafrika vorne: Fast jeder zehnte afrikanische Dollar-Millionär lebt in Johannesburg, auf Platz 2 folgt Kapstadt.Mauritius spielt als kleiner Inselstaat im Indischen Ozean selten eine zentrale Rolle – trotzdem oder gerade deshalb ist es eines der Länder mit dem weltweit schnellsten Millionärs-Wachstum: In den nächsten zehn Jahren könnte sich deren Zahl laut Henley & Partners noch einmal annähernd verdoppeln – angelockt auch von vorteilhaften SteuerregelungenBild: Roberto Moiola/robertharding/picture alliance In dem Bericht ist die Rede von den „Big 5“ der afrikanischen Millionärs-Länder: Südafrika, Ägypten, Nigeria, Kenia, Marokko. Eine Sonderstellung nimmt die Steuer-Oase Mauritius ein, in der von 2013 auf 2023 ein Zuwachs von 87 Prozent gemessen wurde. Die Autoren gehen davon aus, dass die Zahl der Millionäre in Afrika bis 2033 um 65 Prozent steigen soll. Die sozialen Unterschiede könnten also noch extremer werden, obwohl sie schon heute gesellschaftlichen Zündstoff darstellen. Viele Politiker würden sich „ins eigene Fleisch schneiden“ Bei der Open Society Foundation sieht Alvin Mosioma ganz praktische Hürden für die Staaten, die Reichsten stärker zu besteuern – angefangen damit, dass die Steuerbehörden oft gar nicht wissen, welche Vermögenswerte in Form von Immobilien, Beteiligungen und Fonds vorliegen. Die Reichen könnten ihre Vermögen so rasch umschichten, dass der Staat kaum hinterherkomme. Immerhin gebe es in den Steuerbehörden Kenias und Ugandas inzwischen spezialisierte Einheiten, die sich ausschließlich um die reichsten Individuen kümmerten, sagt Mosioma.“Aufstieg der Oligarchie“: Mit der Rückkehr des früheren Immobilienmoguls Donald Trump ins Weiße Haus ist auch der Einfluss superreicher Tech-Unternehmer auf die US-Regierung gewachsen – insbesondere der des in Südafrika geborenen reichsten Menschen der Welt, Elon Musk (rechts)Bild: SHAWN THEW/REUTERS Eine weitere Hürde ist, dass Politiker zum Beispiel in Kenia oft sehr wohlhabend sind und somit selbst persönlich von einer Vermögenssteuer betroffen wären. Mosioma spricht von einem „Aufstieg der Oligarchie“ – den man heutzutage nicht nur in den USA beobachten könne. „Effektive Vermögensbesteuerung kann nur von Politikern vorangetrieben werden, die keine Eigeninteressen verfolgen. Sie müssen zwar zur politischen Elite gehören, dürfen sich dabei aber nicht ins eigene Fleisch schneiden bei wirtschaftlichen Interessen“, sagt Mosioma. Ein Hoffnungsträger sei hierbei die neue Regierung im Senegal, wo im vergangenen Jahr überraschend deutlich die linksgerichtete Opposition die Wahlen gewonnen hatte. Es müssten also verschiedene Faktoren zusammenkommen: Politischer Wille, leistungsfähige Steuerbehörden und ein durchdachter Plan. Bislang hat noch keine afrikanische Regierung das Instrument der Vermögenssteuer genutzt, um Ungleichheit anzugehen und die Reichsten stärker zur Finanzierung des Gemeinwohls heranzuziehen. David Ehl Reporter und RedakteurDavid_EhlSchicken Sie uns Ihr Feedback!Ihr FeedbackAnzeige

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