S Warum die Erfolgsgeschichte der Berliner Universitäten in Gefahr ist – AktuelleThemen.de

HomeOpen SourceWarum die Erfolgsgeschichte der Berliner Universitäten in Gefahr ist Warum die Erfolgsgeschichte der Berliner Universitäten in Gefahr ist Der Erfolg der Berliner Unis basiert auf den Hochschulverträgen, an die sich Land Berlin aber offenbar nicht hält. Unser Autor spricht sogar von Vertragsbruch.Andreas Kreßler16.02.2025 05:02 UhrIna Czyborra, Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, spricht im Roten Rathaus anlässlich der Unterzeichnung der Hochschulverträge im Land Berlin am 16. Februar 2024.Paul Zinken/dpaDies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.In den letzten drei Jahrzehnten gab es im Land Berlin mehrere größere finanzielle Krisen, in denen hochschulpolitische Sonntagsreden und Wahlversprechen nicht mehr viel galten.Nach einschneidenden Kürzungen und einem „Abbau von Doppel- und Mehrfachangeboten“ ihrer Fächer hofften die Berliner Universitäten FU, HU und TU ab Mitte der Neunzigerjahre auf eine stabile Arbeitsgrundlage. Aber nicht zuletzt durch die Streichung der Berlin-Förderung stand das Land bald wieder vor einem erheblichen Haushaltsdefizit und kündigte an, die Universitätshaushalte innerhalb weniger Jahre um bis zu 20 Prozent zu kürzen. Um die ausgebrochenen Konflikte zu befrieden, regte der damalige CDU-Wissenschaftssenator Peter Radunski eine „Entschließung“ des Abgeordnetenhauses gegen weitere Einschnitte an.Der neue Präsident der Humboldt-Universität, Hans Meyer, traute unverbindlicher Politik nicht und schlug im Spätherbst 1996 vor, bis zum Jahr 2000 geltende Finanzierungs-Verträge zwischen Senat und Hochschulen zu vereinbaren. Sie wurden im Mai 1997 unterzeichnet und schlossen Kündigung und einseitigen Eingriff aus. Dies war der Auftakt der Hochschulverträge, die jeweils über mehrere Jahre laufen. Die Politik erkannte den Vorteil längerfristiger Hochschulentwicklung; die Hochschulen gewannen Planungssicherheit und Haushaltsflexibilität.Es mag unstrittig sein, dass es an den Hochschulen „Luft nach oben“ gibt, und man muss die Bezeichnung „Brain City Berlin“ nicht für gelungene PR halten, aber die Erfolge der Universitäten in der Exzellenz-Initiative, die Attraktivität der Hochschulen für Studierende, für die außeruniversitäre Forschung und für Wirtschaftsunternehmen wären wohl ohne Hochschulverträge nicht möglich gewesen.Hauptgebäude der Humboldt-Universität unter den LindenJens Kalaene/dpa Teilerfolge durch öffentliche Proteste Nach der Jahrtausendwende musste Berlin „sparen bis es quietscht“ und trat 2003 aus den Arbeitgeberverbänden aus, um die Kosten eines bundesweiten Tarifabschlusses zu vermeiden. Fast alle Hochschulen folgten. Umgehend meinte das Land, die Hochschulen bräuchten ja nun weniger Geld und wollte die Zuschüsse kürzen. Die Hochschulen stellten eine Klage gegen den Vertragsbruch in Aussicht.Die Politik reagierte zunächst erbost, riskierte aber keinen Rechtsstreit. Schließlich wurden Änderungsverträge geschlossen, beide Seiten wollten das Modell der Hochschulverträge nicht gefährden; die Rechtsposition der Hochschulen war gestärkt. Inzwischen gelten in Berlin und an den Hochschulen wieder die bundesweiten Tarifverträge.Für die Hochschulverträge bis 2009 forderte das Land nicht realisierbare Kürzungen. An der HU wäre auch bei einer mehrjährigen Stellenbesetzungssperre ein Haushaltsdefizit unvermeidlich gewesen. Die Politik brachte abenteuerliche Ideen ins Spiel. Es sollten bei den Verwaltungen mehr Mittel gestrichen werden, als sie tatsächlich kosteten, zudem die Zusatzversorgung für Tarifbeschäftigte (VBL) gekündigt und eine neue bei einem PDS-nahen, dubiosen Anbieter abgeschlossen sowie der Landestarifvertrag für die studentischen Hilfskräfte gekündigt werden. Heftige öffentliche Proteste führten zwar zu Teilerfolgen, die Universitätshaushalte wurden aber um 75 Millionen Euro gekürzt, was mit internem Streit über den Vertragsschluss verbunden war.Im Februar 2024 wurden Verträge für die Jahre 2025 bis 2028 unterzeichnet, um Mehrkosten der Hochschulen (insbesondere durch Tarif- und Besoldungserhöhungen sowie Inflation) auszugleichen und ihre Grundstruktur zu sichern. Mit dem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom Dezember 2024 über den Landeshaushalt 2025 sind sie Makulatur.Vorbild DDR: Bessere hausärztliche Betreuung verlangt veränderte Strukturen und PolitikOpen Source14.02.2025Schauspielerin Nicolette Krebitz: „Ich bin eigentlich kein Riesenfan der Berlinale“Open Source13.02.2025Während es seit 1996 bei allen Kürzungen im Vorfeld Abstimmungen oder wenigstens Klärungsversuche zwischen Land und Hochschulen gab, unterblieb dies nun. Vertragsbrüchig hat die Wissenschaftsverwaltung Kürzungen in den Hochschulhaushalten verfügt, die als „Sperrungen“ kaschiert sind. Die Bezeichnung ist ein Griff in die Trickkiste, üblicherweise können Sperrungen aufgehoben werden. Dies wäre hier nur durch Umverteilung zwischen den Hochschulen ab dem zweiten Halbjahr möglich. Derartige Einschränkungen hat es nicht einmal in den schwierigen Zeiten Anfang der Neunzigerjahre gegeben. Hochschulsteuerung durch Chaotisierung Die Wissenschaftssenatorin hat außerdem festgehalten, Eckwerte des Landes für den Doppelhaushalt 2026/27 würden in „Nachverhandlungen“ eingehen. Das bedeutet wohl weitere Kürzungen und sieht nach Hochschulsteuerung durch Chaotisierung aus. Innerhalb eines Jahres sollen die Hochschulen dreifach planen: für das erste Halbjahr, für das zweite Halbjahr und für die Zeit des Doppelhaushalts. Das Vertragsjahr 2028 scheint unter den Tisch gefallen zu sein.Studenten in einer Vorlesung an der Freien Universität BerlinBritta Pedersen/dpaNeben der rechtlichen und politischen Bewertung des Vertragsbruchs steht die Frage, ob und mit welchen Folgen die Hochschulen Defizite vermeiden können. In der Öffentlichkeit erklärt das Land, es würde pauschal acht Prozent des Zuschusses für alle Hochschulen reduzieren. Das ist Politik mit der Excel-Tabelle. Auch wenn anzuerkennen ist, dass die Kürzung auf die erhöhten Zuschüsse der Hochschulverträge bezogen ist, gibt es zwei Punkte, die ein bezeichnendes Licht auf das Land werfen: Bezugsgröße der Kürzungen sowie deren praktische Umsetzung.Jetzt wird es leider technisch. Die Hochschulhaushalte speisen sich aus Mitteln des Landes und des Bundes, der für das Jahr 2025 ca. 149 Mio. Euro beisteuert. Die Kürzung von acht Prozent legt das Land allerdings nicht, was systematisch richtig wäre, nur auf den Landeszuschuss, sondern auch auf die Bundesmittel, das bringt Berlin ca. 12 Mio. Euro. Wie im Bereich Kultur scheint praktische Umsetzung kein entscheidungsrelevantes Thema gewesen zu sein. Konservativ betrachtet sind an der HU 70 Prozent der Haushaltsmittel gegen sofort wirkende Absenkungen gefeit, beispielsweise Mieten, Energiekosten, längerfristig laufende Verträge des Personals und Ruhestandsleistungen. Legt man die acht Prozent auf die „kürzbaren“ Mittel um, sind es tatsächlich 27 Prozent. Zugegeben, dies unterstellt, dass Tarif- und Besoldungserhöhungen nicht ausgeglichen werden. Die Besoldung steigt im Februar um 5,5 Prozent. Die Gewerkschaften fordern in der laufenden Tarifrunde acht Prozent.Das Land verschweigt sich zum Ausgleich. Interessant wäre zu wissen, wie es sich in den Tarifverhandlungen verhält und wie es die eigenen Personalkosten plant.Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner (v.l.n.r.), der Regierende Bürgermeister Kai Wegner, der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh und die Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Franziska Giffey, bei der Pressekonferenz zum Haushalt 2025Metodi Popow/imago Politik wie die, die jenseits des Atlantiks gemacht wird Das Land hat das zentrale Steuerungsinstrument Hochschulverträge zumindest schwer beschädigt. Die Akteure scheinen die Aussage zu scheuen, dass der Kaiser nackt ist. Berlins hochschulpolitische Zielstellungen sind unklar, aber das Land tut so, als ob alles wie gehabt weitergehen würde. Zudem sieht das Vorgehen des Landes aus wie Politik, die jenseits des Atlantiks gemacht wird, Vertragsbruch aus einer Position der Stärke heraus als Voraussetzung für „Nachverhandlungen“.Wie bis Mitte der Neunzigerjahre werden die Hochschulen als nachgeordnete Behörden behandelt, in die nach Bedarf eingegriffen werden kann. Sobald dort interne Konflikte ausbrechen oder die Kürzungen nicht umgesetzt werden können, wird vermutlich auf die Hochschulautonomie verwiesen, nach dem Motto „wir können nichts dafür“. Die Hochschulleitungen scheinen das Elend, vor dem sie stehen, eher befrieden zu wollen, um das Instrument Hochschulverträge zu erhalten. Es war schon verstörend, die Demonstration gegen die Kürzungen für den Tag der Verabschiedung des Haushalts 2025 im Abgeordnetenhaus anzuberaumen, da waren alle Messen gesungen. Auch ohne die interne Meinungsbildung zu kennen, die naheliegende Klage gegen den Vertragsbruch scheint nicht absehbar. Die Frage ist, wann die Stunde der Wahrheit schlägt.Die Hochschulen geraten zunehmend in die Defensive, können immer weniger erklären, warum sie nicht auch noch die nächste und die übernächste Kröte schlucken. Nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres spricht nicht viel dafür, auf ein geordnetes Handeln des Landes, auf förmliche Anhörungen oder inhaltliche Abstimmungen vor den nächsten Finanzentscheidungen zu vertrauen. In allen früheren Vertragsverhandlungen haben nur Konfliktbereitschaft und Öffentlichkeit geholfen.Allgemeinwohl? Von wegen! Beitrag zu einer Nachverdichtungs-Riesensauerei in HellersdorfVon Jan-Sebastian WetjenOpen Source11.02.2025Es kann sein, dass die Hochschulen schnell vor der Frage stehen, die vor vielen Jahren ein Dekan der HU für seine Fakultät gestellt hat: Ist es unsere Aufgabe, darüber zu entscheiden, ob wir uns Hand oder Fuß abhacken? Damals waren allerdings die finanzielle Dimension und die grobe inhaltliche Linie der Hochschulleitung klar.  Abzuwarten bleibt, wann die Koalitionsfraktionen ihre inhaltlichen Ziele auf den Tisch legen. Finanznotstand ist keine Hochschulpolitik. Je mehr Zeit ins Land geht, umso schwieriger wird es, Kürzungen umzusetzen. Angesichts der oben genannten Mittelbindung werden sie hauptsächlich das befristete wissenschaftliche Personal und studentische Hilfskräfte treffen. Also die Schwächsten, die in den Hochschulverträgen geschützt werden sollten.Besucher des Rundgangs der Universität der KünsteMaurizio Gambarini/imago Das Problem mit der Ermittlung der Zulassungszahlen Wie die Hochschulen aktuell ihre Zulassungszahlen für Studienfächer ermitteln sollen, die vielleicht gekürzt werden, ist wenigstens mir schleierhaft. Bei den Hochschulverträgen bis 2009 hat das Land im Jahr 2005 eingeräumt, was es noch ein Jahr vorher bestritten hatte, die Zahl der Studienplätze würde auf unter 85.000 fallen. Diskutiert wurde ein Vorrang für Studieninteressierte aus Berlin bei der Zulassung, dies war rechtlich nicht zulässig.Es scheint schwer vorstellbar, dass das Land aktuell keine Abbauplanung hat. Diese vorzulegen wäre ehrlich, insbesondere für diejenigen, die im April oder zum kommenden Studienjahr ihr Studium beginnen wollen. Sie haben das Recht, es an der aufnehmenden Hochschule zu beenden, und zwar zu den Bedingungen der Studien- und Prüfungsordnungen, die zu Studienbeginn galten.Streichungen und Zusammenführungen von Studiengängen Anfang der Neunzigerjahre haben gezeigt, wie kompliziert und teuer das auch bei gutem Willen der Beteiligten ist. Und wenn das Land die eigenen Planungen nicht zügig offenlegt, sollte es ehrlicherweise (wenigstens) die Studieninteressierten warnen.Andreas Kreßler war an der Humboldt-Universität zu Berlin als Leiter des Präsidialamts und später als Abteilungsleiter Personal an allen Abschlüssen der Hochschulverträge, die von 1997 bis 2022 galten, beteiligt.Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nichtkommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden. Lesen Sie mehr zum Thema Open SourceBerlinPolitikCDUMitteKulturInflationWirtschaftGesundheitGesundheit & Wohlbefinden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert