WissenschaftGlobal Unterseekabel: Achillesferse unserer digitalen Welt Alexander Freund29.01.202529. Januar 2025Immer häufiger werden Unterseekabel sabotiert, über die rund 95 Prozent des globalen Datenverkehrs fließen. Wo verlaufen diese Kabel? Wem gehören sie? Und wie könnten sie besser geschützt werden? https://p.dw.com/p/4pih7Unterseekabel können mehr Daten zu geringeren Kosten übertragen als Satelliten.Bild: TE SubCom/Arctic Cable Company/picture allianceAnzeigeDie Sabotageakte der russischen „Schattenflotte“ an Unterseekabeln haben die globale Kommunikationsinfrastruktur in den Fokus gerückt. Das Rückgrat der weltweiten Telekommunikation ist vor absichtlicher Zerstörung wenig geschützt. Welche Unterseekabel gibt es? Zu den wichtigen Unterseekabeln gehören Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungskabel (HGÜ), die elektrische Energie über große Distanzen transportieren, etwa zu Inseln oder zwischen Ländern. Auch Offshore-Windkraftanlagen werden über diese Kabel ans Festland angebunden. Telekommunikationskabel bestehen aus Glasfaserleitungen über die etwa 95 Prozent des globalen Datenverkehrs fließen, einschließlich Internet und Telefongespräche. Das geschieht mit geringen Signalverzögerungen: Das Aufrufen einer Website in den USA dauert von Europa aus rund 60 Millisekunden – braucht also im wahrsten Sinne des Wortes nur einen Augenblick. Daneben gibt es spezielle Datenkabel zwischen Rechenzentren oder großen Netzwerkknoten sowie stärker geschützte Spezialkabel für die militärische Kommunikation oder Forschung. Warum Satelliten keine Alternative sind Nur ein Bruchteil der internationalen Kommunikation findet über Satelliten statt. Denn Unterseekabel können viel mehr Daten zu geringeren Kosten übertragen. Satellitenverbindungen sind langsamer und anfälliger für Störungen. Dennoch investieren die USA und die EU in Satellitentechnologien wie Starlink und das IRIS-Programm (Infrastructure for Resilience, Interconnectivity and Security by Satellite),um sicherere, alternative Kommunikationskanäle zu schaffen. Schutz vor Ausfällen: Die Architektur des Internets To view this video please enable JavaScript, and consider upgrading to a web browser that supports HTML5 video Wo verlaufen Unterseekabel? Weltweit sind rund 1,4 Millionen Kilometer Kabel in etwa 500 Leitungen verlegt. Die Kabel sind so lang, dass man sie 30 mal um den Äquator wickeln könnte. Und jedes Jahr kommen neue Kabel dazu. Die meisten Kabelverbindungen liegen im Atlantik zwischen Europa und den USA sowie im Pazifik zwischen den USA und Ostasien. Es gibt jedoch keinen vollständigen globalen Atlas, der die genauen Standorte aller Kabel zeigt. Plattformen wie submarinecablemap.com oder Telegeography bieten zwar Karten an, jedoch ohne präzise Lageangaben.Screenshot der interaktiven Karte von submarinecablemap.comBild: submarinecablemap.com Die Karte zeigt auch die neuralgischen Punkte: So läuft etwa 90 Prozent des Datenverkehrs zwischen Europa und Asien über 14 Kabel vor der jemenitischen Küste. Die dortigen Huthi-Rebellen haben 2024 nicht nur den Schiffverkehr, sondern auch drei Datenleitungen mit einem gekaperten Frachter angegriffen. Wer verlegt Unterseekabel? Früher dominierten Telekommunikationsdienstleister wie AT&T und China Telecom den Markt. Heute investieren große Technologieunternehmen wie Google, Microsoft, Meta und Amazon massiv in Unterseekabel. Google besitzt derzeit sechs aktive Unterseekabel und plant den Bau weiterer Kabel. Meta ist an 16 bestehenden Kabeln beteiligt und plant ein eigenes globales Kabelnetz. Für den Facebook- und Instagram-Konzern sind vor allem die knapp 1,5 Milliarden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent eine durchaus interessante Zielgruppe. Wie sind Unterseekabel aufgebaut? Moderne Unterseekabel bestehen aus mehreren Schichten: Im Inneren befinden sich Glasfaserleitungen, die Lichtimpulse zur Übertragung digitaler Informationen verwenden. Sie sind umgeben von Schutzschichten aus Stahldraht oder einer Stahlpanzerung, Polyethylen und wasserdichten Materialien. Sie schützen vor dem extremen Druck und den Bedingungen der Tiefsee und gewährleisten eine Lebensdauer von etwa 25 Jahren. Große Seekabel mit einem Durchmesser von mehr als 20 Zentimetern können durch ihre seetauglichen Schutzhüllen zwischen 40 und 70 Kilogramm pro Meter wiegen. Wie werden Unterseekabel verlegt? Geologen und Ingenieure bestimmen die beste Lage für das Kabel unter Berücksichtigung von Hindernissen wie Gräben, Meeresströmungen, Fischereigebieten oder Schifffahrtsrouten. In der Nord- und Ostsee stellen zudem noch rund 1,6 Millionen Tonnen an versenkter Munition aus vergangenen Kriegen eine große Herausforderung dar. Wo Gefahren für das Kabel drohen, am Ufer oder in flachen Gewässern, wird oft mit einem Pflug eine bis zu drei Metern tiefe Rinne gegraben. In tieferen Gewässern, wo das Risiko einer Beschädigung geringer ist, wird das Kabel von speziellen Kabelverlegeschiffen oft direkt auf dem Meeresboden verlegt. Zwischen dem Verlegeschiff und der Stelle, wo das Kabel den Meeresboden berührt, können bis zu acht Kilometer Distanz liegen. Wichtig ist, dass das Kabel beim Verlegen ständig auf Zug gehalten wird. Bei zu wenig Spannung können sich Schlaufen bilden. Zu viel Spannung allerdings kann das Kabel schweben und dadurch leichter brechen lassen. NATO sucht neue Strategie gegen hybride Angriffe ,To view this video please enable JavaScript, and consider upgrading to a web browser that supports HTML5 video. Schäden an Unterseekabeln Die meisten Beschädigungen entstehen durch Schleppnetze oder Anker. Absichtliche Sabotageakte als Teil der hybriden Kriegsführung sind seit dem Kalten Krieg bekannt. Bereits 1959 warfen die Amerikaner den Russen vor, ein Unterwasserkabel absichtlich mit Fischernetzen beschädigt zu haben. Spionage ist ebenfalls ein großes Problem, da Unterseekabel angezapft und Daten abgegriffen werden können. Wie werden Unterseekabel repariert? Die Reparatur ist aufgrund der extremen Druckverhältnisse unter Wasser und unvorhersehbarer Wetterbedingungen kompliziert. Spezialgeräte können den Signalverlust messen und so den beschädigten Abschnitt lokalisieren. Bei modernen Glasfaserkabeln kann die Beschädigung im Idealfall auf 50 Meter genau eingekreist werden. Je nach Schaden und Tiefe können Taucher das Kabel in Trockenkammern reparieren. Oder ein Kabelreparaturschiff hebt es vorsichtig an die Oberfläche. An Bord tauschen dann Techniker beschädigte Kabelabschnitte gegen neue aus. Der Aufwand ist groß, weil alle Verbindungen auch bei widrigen Bedingungen fehlerfrei funktionieren müssen. Nach umfangreichen Tests wird das Kabel wieder vorsichtig wieder versenkt und erneut vergraben. Allerdings gibt es weltweit nur wenige Schiffe, die eine solche Reparatur durchführen können. Mitunter dauert es Wochen oder Monate, bis ein durchtrenntes Kabel instandgesetzt werden kann. Wie lassen sich Unterseekabel schützen? Unterseekabel sind gegen natürliche Bedrohungen gut geschützt, jedoch oft unzureichend gegen absichtliche Beschädigungen durch feindliche Staaten, Geheimdienste oder Terroristen. Der Einsatz von Unterwasserdrohnen und akustischen Sensorsystemen könnte helfen, potenzielle Sabotageakte frühzeitig zu erkennen. Parallel werden zusätzliche Kabelverbindungen als redundante Systeme aufgebaut, damit Daten auch beim Ausfall eines Kabels weitergeleitet werden können. Neuerdings entwickeln betroffene Staaten koordinierte Schutzstrategien, um im Falle eines Angriffs schnell und gemeinsam handeln zu können. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Staaten, Unterseekabelbetreibern und internationalen Organisationen erforderlich. Zudem braucht es neue gesetzliche Rahmenbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene. Denn bislang gibt es im internationalen Recht keine spezifischen Bestimmungen zum Schutz von Unterseekabeln im Konfliktfall. Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreundSchicken Sie uns Ihr Feedback!Ihr FeedbackAnzeige