HomeStreit um Abriss von Wohnungen im Wedding: Bayer AG trifft auf wütende Berliner Mieter „Wir bleiben hier“: Pharmariese Bayer und wütende Berliner Mieter streiten im Rathaus Mitte Die Bayer AG will Wohnhäuser in der Tegeler Straße abreißen. Die Bewohner und ein Gutachten sagen: Geht nicht. Am Mittwoch trafen die Beteiligten aufeinander.Johann Voigt29.01.2025 19:37 UhrEigentümer Bayer will die Gebäude abreißen lassen. 23 Mitparteien und 14 Gewerbetreibenden müssen raus aus den Häusern in der Tegeler Straße 6 -7 im Wedding.Sabine GudathAnfang Januar entdeckten 23 Mieter im Wedding eine böse Überraschung im Briefkasten. Einige leben seit Jahrzehnten in den Gebäuden in der Tegeler Straße 6 – 7, kurz vor Weihnachten erreichte sie noch eine Mieterhöhung. Jetzt sollen sie raus. Die Verwertungskündigungen kamen überraschend, wie es in einem Schreiben der Anwohnenden heißt, das der Berliner Zeitung vorliegt.Der Grund: Eigentümer des Grundstücks ist die Bayer AG und die will die Gebäude abreißen lassen, genau wie die Nachbarhäuser. In denen stehen bereits die meisten Wohnungen leer. Sie befinden sich in direkter Nachbarschaft zum großen Bayer-Campus und der soll nun erweitert werden. Abgerissen werden sollen die Gebäude, sobald alle Mieter ausgezogen sind, sagt eine Bayer-Sprecherin gegenüber der Berliner Zeitung.„Schützenswerter Wohnraum“: Bayer plant Abriss von 140 Wohnungen in WeddingMitte04.07.2024In der Tegeler Straße in Mitte offenbart sich ein Konflikt, der über den Bezirk hinaus relevant ist für Berlin. Was ist wichtiger: Die Erhaltung von Wohnraum oder die Entwicklung von Arbeitsplätzen und Industrie? Oder geht vielleicht doch beides zusammen?Am Mittwochabend kamen Bewohner der Tegeler Straße 6 – 7, Politiker und Vertreter der Bayer AG im Rathaus Mitte zusammen, um zu streiten. Die SPD-Fraktion reichte im Ausschuss für Stadtentwicklung von Mitte zudem einen Dringlichkeitsantrag ein, in dem sie unter anderem fordert: Eine sofortige Prüfung der Abrissverfügung und eine Verlängerung der Kündigungsfrist für die Mieter auf 18 Monate. Zudem solle die Bayer AG bezahlbare Ersatzwohnungen beschaffen.Laut dem Bezirksamt Mitte sind die Gebäude kein „schützenswerter Wohnraum“. Planungsrechtlich liegen sie in einem Industriegebiet. Ein Gutachten, das die Partei Die Linke im vergangenen Jahr in Auftrag gab, widerspricht dieser Einschätzung allerdings und kommt zu dem Schluss: Die Gebäude seien bezahlbarer Wohnraum und durchaus schützenswert.Vom Abriss wären 23 Mietparteien und 14 Gewerbetreibende betroffen. Eine Sprecherin der Bayer AG bestätigt auf Anfrage der Berliner Zeitung, dass alle Mietparteien eine Kündigung erhalten hätten. Die Frist liege zwischen drei und neun Monaten. Wie also geht es weiter?Die Häuser Tegeler Straße sollen abgerissen werden. Der Pharmakonzern Bayer hat andere Pläne für das Gelände.Sabine Gudath„Stoppt Vernichtung bezahlbarer Wohnungen! Wir bleiben hier“, steht auf einem Plakat. Viele Bewohner der Tegler Straße 6 -7 sind in den Sitzungssaal gekommen. Fast alle Plätze für Gäste sind belegt. Auch drei Mitarbeitende der Bayer AG sind erschienen. Sie tragen schicke Kleidung, bekommen als erste das Wort und wollen eine Präsentation zeigen. Aber erst mal scheitert die Technik, der Beamer versagt. Die Gemächlichkeit von Lokalpolitik trifft auf knallhartes Business-Meeting-Kultur.Die Präsentation will dann hervorheben, wie wichtig der Berliner Bayer-Standort ist. Bettina von Streit, Berufsbezeichnung „Head of Site Management Berlin & SMIS Facility Management“, spricht von einem „klaren Commitment“ zum Standort im Wedding, von Investitionen, von Errungenschaften in der Produktion und dem „Life Science Campus“. Auch neue Wohnungen sollen entstehen, sagt sie. Aber eben in der Müllerstraße und nicht in der Tegeler Straße 2 – 7. Dort sollen die Werkfeuerwehr und ein Produktionsgebäude gebaut werden – und eine Einfahrt für Lastwagen.„Geopolitische Sicherheitslage“: Charité und Bundeswehr kooperierenBerlinvor 4 Std. „Sie vernichten preiswerten Wohnraum“ Mitglieder der Grünen und der SPD heben positiv hervor, dass es immerhin einen klaren Zeitplan gebe. Aber erst eine Mieterhöhung schicken und danach die Kündigung? Wie soll da Vertrauen aufgebaut werden, fragt einer von der SPD. Und wie sollen die Mieter so schnell neuen, bezahlbaren Wohnraum finden? „Sie vernichten preiswerten Wohnraum“, sagt ein anderes Ausschuss-Mitglied, das die Business-Outfits von Bayer mit einem Batik-Hoodie konterkariert. Applaus von der Seite. „Genau das ist der Punkt“, ruft jemand von den Mietern.„Wir haben kein Interesse daran, Konflikte zu provozieren“, sagt von Streit. Aber was heißt das? Eine externe Mieterberatung beschaffe nötige Unterlagen, helfe bei Bewerbungen für Ersatzwohnungen. Auch Renovierungen und Umzüge sollen unterstützt werden. Zudem solle ein frühes Ausziehen mit einer Abfindung belohnt werden. Man hört einige Bewohner der Tegeler Straße wütend schnaufen.„Nur noch Bürgergeldempfänger hier“: CDU-Wahlkampf erhitzt Gemüter in LichtenbergVon Alexander ReichBezirke27.01.2025Dann ergreift eine Frau von der CDU das Wort: „Rechtlich gesehen, können die Wohnungen abgerissen werden.“ Man solle die Wichtigkeit einer Feuerwehr zudem nicht unterschätzen. Lachen im Saal. Die Würdigung von Leistungen werde in unserer Gesellschaft vergessen. Bayer sei wichtig für die Wirtschaft. „Die Wahrheit ist: Die Mieter müssen sich von ihrer Idylle verabschieden.“ Ein hartes Statement, das hier niemand, außer vielleicht das Bayer-Trio, hören will.Man wolle keine 30-seitige Kündigung vor Gericht verhandeln müssen, sagt von Streit. Doch es stellt sich die Frage, wer eine solche Verhandlung eher durchsteht: Die Rechtsabteilung eines Multimilliarden-Konzerns oder 23 Mieter im Wedding? Mit einigen Mietern sei man in guten Gesprächen. Das lege sie auch allen anderen Mietern nahe, sagt von Streit. Es klingt empathisch – oder wie eine Drohung, je nach Perspektive.Die Mitglieder der Versammlung sind Müde, jemand kaut heimlich ihr mitgebrachtes Essen. Die Präsentation von Bayer ist die ganze Zeit über an die Wand im Hintergrund projiziert. „Ein schwerer Konflikt wäre bedauerlich“, sagt einer von den Grünen. Bewohner Stefan, der seit seinem sechsten Lebensjahr, seit 1980 in der Tegeler Straße lebt, fordert: Zehn Jahre solle man ihnen noch lassen, das wäre der letzte Kompromiss, wenn man den Bebauungsplan schon nicht ändere. „Klau, der in der Tegeler Straße lebt sei 81 Jahre alt. „Soll er wirklich noch mal umziehen müssen“, fragt er?

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