HomeKulturStörfeuer in Sachsen-Anhalt: AfD diffamiert Bauhaus-Erbe als „Irrtum der Moderne“ Störfeuer in Sachsen-Anhalt: AfD diffamiert Bauhaus-Erbe als „Irrtum der Moderne“ Im Landtag von Sachsen-Anhalt reitet die rechte Partei eine verbale Attacke gegen den avantgardistischen Stil, der einst von Dessau aus in die Welt ging.Ingeborg Ruthe23.10.2024 14:36 UhrUnesco-Welterbe: das von Walter Gropius entworfene Bauhaus Dessau.Sebastian Willnow/dpaKeine Ahnung, wie AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner wohnt. Da er von „Gründerzeit und Jugendstil“ schwärmt, wird er wohl kaum in einer urig nachgebauten Almhütte leben. Vielleicht eher in einer schmucken Neo-Renaissance-Villa oder in einem fein sanierten Häuserzug mit Stuckdecken, ornamentalem Fassadenschmuck und mythologischen Gestalten über Tür- und Fensterbrüstungen aus Zeiten des Kaiserreichs?Jedenfalls, das schreibt die Mitteldeutsche Zeitung in Halle einigermaßen entsetzt, griff der AfD-Mann aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt vor einigen Tagen den Bauhaus-Stil – die unbestritten einflussreichste Moderne-Strömung des 20. Jahrhunderts – als „Bausünde“ und traditionsvergessenen „Irrweg der Moderne“ an. Die AfD startete ein Störmanöver, fordert, beim Bauhaus-Jubiläum 2025 und 2026 eine „einseitige Glorifizierung zu verhindern“. Als würde die Bauhaus-Stiftung nicht schon seit vielen Jahren auch kritisch mit dem Erbe umgehen, etwa mit der Marginalisierung der Bauhaus-Frauen, auch mit überzogenen stilistischen Diktaten.Haus Gropius in der Meisterhaussiedlung Dessau-Roßlau.Joko/imago Bauhaus: Von den Nazis verboten – Die Verbindung von Kunst, Handwerk und Bau Gehen wir hundert Jahre zurück: Das Staatliche Bauhaus war eine 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründete Kunstschule. Nach Art und Konzeption war es damals etwas völlig Neues, da das Bauhaus eine Zusammenführung von Kunst, Handwerk und Bauen darstellte und nach dem Umzug aus dem immer reaktionärer werdenden Weimar ins offenere Dessau 1925 eine erblühende Kunst und Alltags-Philosophie entwickelte. Diese Idee – die übrigens auch die „De Stijl“-Bewegung in den Niederlanden prägte – begeisterte Architekten und Künstler von Übersee über Indien, den Nahen Osten bis nach Afrika. 1933 machten die Nazis dem „links“ orientierten, gar teils als „kunstbolschewistisch“ gesehenen Bauhaus ein Ende: mit dem Verbot. Protagonisten wie Walter Gropius, Mies van der Rohe, Josef Albers, Moholy-Nagy, Lyonel Feininger flohen ins Exil oder zogen sich verstört zurück.Kida Khodr Ramadan: Ich würde Deutschland verlassen, wenn ich keine kleinen Kinder hätteKultur•vor 3 Std.In Neuseeland sind jetzt lange Umarmungen verboten. Warum das in Berlin nicht nötig ist Kulturvor 8 Std.Der Antrag der AfD-Fraktion, sich nun mit dem Bauhaus-Erbe in Sachsen-Anhalt „kritisch“ auseinanderzusetzen, ist im Landesparlament an diesem Freitag Thema. Die AfD kann, ganz demokratisch, ihren Widerwillen begründen. Das Bauhaus, so deren Anwurf, ziele auf eine weltweite „Vereinheitlichung von Kunst und Design“. Die „globale Verwertung“ erzeuge einen „Einheitsbrei“, der die architektonischen Traditionen verdränge. O-Ton Kirchner: „Dies führte zu einer Verwässerung regionaler Eigenheiten und einer Standardisierung von Architektur und Design, die der kulturellen Vielfalt abträglich ist.“ (Wow, die AfD verlangt Vielfalt!)Vorsicht, Maske! Es ist keineswegs bloß ästhetische AfD-Kritik an der Bauhaus-Idee von Funktionalismus und Minimalismus. Es ist die Abwehr der freigeistigen, sozialen, emanzipatorischen Verschmelzung von Kunst und Leben: Die Tonlage aus Magdeburg gleicht dabei den Verbots-Argumenten der Nationalsozialisten 1933. Lesen Sie mehr zum Thema KulturKunst