HomeSteuern runter? Ökonom warnt vor faulen Wahlversprechen Steuern runter? Ökonom warnt vor faulen Wahlversprechen Fast alle Parteien versprechen große Entlastungen nach der Wahl. Unser Kolumnist Maurice Höfgen erklärt, wie Sie nicht auf faule Versprechen hereinfallen.Maurice Höfgen01.02.2025 15:35 UhrSPD-Kanzler Gerhard Schröder senkte vor 25 Jahren den Spitzensteuersatz von 45 auf 42 Prozent. Was versprechen uns die Parteien jetzt?Wolfgang Kumm/dpaWissen Sie, wann die Steuersätze bei der Einkommensteuer das letzte Mal gesenkt wurden? Vor sage und schreibe 25 Jahren. Damals, im Jahr 2000, unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder, wurde der Spitzensteuersatz von 45 auf 42 Prozent gesenkt. Seitdem gab es nur noch kosmetische Änderungen – mal abgesehen von der Einführung des Reichensteuersatzes (45 Prozent) im Jahr 2005.Und dennoch versprechen jetzt im Wahlkampf nahezu alle Parteien große Entlastungen. Kann man darauf vertrauen? Daran scheitern Steuersenkungen Klar, in Koalitionsverhandlungen gehen fast immer Versprechen aus den Wahlprogrammen verloren. Aber warum immer die großen Entlastungsversprechen bei den Steuern? Nun, der Grund dafür ist: die Schuldenbremse. Sie verengt den Spielraum so sehr, dass die Einnahmeausfälle durch Steuersenkungen den Haushalt sprengen. Das sieht auch Michael Hüther so, Chef vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Die Schuldenbremse ist faktisch eine Steuersenkungsbremse“, urteilte Hüther bereits im letzten Jahr.Langsamer Niedergang? Ökonomen stellen klar: „Die Deutschen werden relativ ärmer“Wirtschaft18.01.2025Ökonomen kritisieren Wahlprogramme: „Mit den Linken steigt die Staatsverschuldung“Wirtschaft23.01.2025Das IW hat auch errechnet, was die Steuersenkungen aus den Programmen der Parteien den Staatshaushalt so kosten würden. Das Teuerste ist das der AfD mit 149 Milliarden Euro, gefolgt von dem der FDP mit 138 Milliarden, dem des BSW mit 122 Milliarden und dem der CDU mit 89 Milliarden Euro. Da AfD, FDP und CDU aber gleichzeitig an der Schuldenbremse festhalten wollen, darf man an der Ernsthaftigkeit ihrer Pläne zweifeln.Aber die Steuersenkungen bringen doch Wirtschaftswachstum, wird dann oft behauptet. Das kann sein, aber jeder Prozentpunkt mehr Wachstum spült nur circa zehn Milliarden Euro mehr Steuer in die Staatskasse, zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Es bräuchte also, grob gerechnet, zehn Prozent Wachstum, um Steuersenkungen von 100 Milliarden Euro zu finanzieren. Das gab es aber seit Jahrzehnten nicht mehr. Und gerade ist die deutsche Wirtschaftsleistung zwei Jahre in Folge geschrumpft.Dazu kommt ein oft vergessenes Detail: Wenn die Wirtschaft wächst, erlaubt die Schuldenbremse weniger neue Schulden. Das liegt an der sogenannten Konjunkturkomponente. Es bräuchte also sogar mehr als die eben errechneten zehn Prozent Wachstum! „Wir entlasten niedrige und mittlere Einkommen“ – wirklich? Und dann ist da noch die Frage: Wer würde eigentlich von den großen Steuersenkungen profitieren? Die CDU schreibt in ihrem Wahlprogramm etwa: „Wir entlasten vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen“. Ähnliches behaupten andere Parteien auch. Für den Faktencheck helfen Berechnungen vom ZEW Mannheim. Ergebnis: Das ist falsch. Bei der CDU, der AfD und der FDP ist die Steuerersparnis umso größer, je größer das Einkommen ist. Und zwar sowohl gerechnet in Euro und Cent als auch als Anteil vom Einkommen.Das ist auch nur logisch. Denn die Einkommensteuer hat ja einen progressiven Tarif. Wer mehr verdient, zahlt höhere Steuersätze – und entsprechend mehr Einkommensteuern. Verschiebt man die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz fällig wird, wie es fast alle Parteien versprechen, profitieren Spitzenverdiener am meisten, Normalverdiener ein bisschen und Geringverdiener fast gar nicht.Anders als oft behauptet, taugt die Einkommensteuer also kaum dazu, „niedrige und mittlere Einkommen“ zu entlasten. Dafür wären andere Steuern besser geeignet. Etwa die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, Strom oder Gas. Ausgerechnet diese Steuern fehlen aber leider in der Berechnung des ZEW. Was Steuerzahler unterschätzen Viele Steuerzahler überschätzen, wie stark sie von der Einkommensteuer betroffen sind; und unterschätzen, wieviel die Mehrwertsteuer vom verfügbaren Einkommen auffrisst. Dazu zwei interessante Zahlen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: Die reichsten zehn Prozent verdienen circa ein Drittel aller Einkommen, zahlen rund 60 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens, aber nur rund 20 Prozent des gesamten Aufkommens durch indirekte Steuern, wie zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder Strom. Andersherum verdienen die ärmsten zehn Prozent nur 2,6 Prozent aller Einkommen, zahlen gar keine Einkommensteuer, dafür aber fünf Prozent aller indirekten Steuern.Wer die Wahl von seinem eigenen Geldbeutel abhängig machen will, sollte also ganz genau hinschauen, welche Wahlversprechen wirklich finanzierbar und zu eigenem Gunsten sind. Im Dickicht des komplizierten Steuersystems geht man schnell faulen Versprechen auf dem Leim. Aufgepasst also!Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de

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