WissenschaftGlobal Seltene Diphtherie: Ungeimpfter Junge stirbt in Berlin Alexander Freund30.01.202530. Januar 2025Aufgrund unzureichender Impfungen gibt es weltweit immer häufiger Diphtherie-Fälle, obwohl ein sicherer und wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Wie wird die ansteckende Krankheit übertragen, was sind die Symptome? https://p.dw.com/p/4poVmZum Schutz vor Diphtherie erhalten Säuglinge im Alter von zwei, vier und elf Monaten drei ImpfdosenBild: Andriy Popov/PantherMedia/picture alliance AnzeigeIn Deutschland kommt Diphtherie nur noch selten vor, weil die meisten bereits in der Kindheit gegen die ansteckende Krankheit geimpft wurden. Nun ist ein ungeimpfter Schüler aus Berlin an Diphtherie gestorben. Monatelang kämpfte der zehnjährige Junge im Krankenhaus mit der Krankheit und wurde invasiv beatmet. „Sein Weg zuletzt war geprägt von Stärke und Tapferkeit, und er hinterlässt in unserer Gemeinschaft eine Lücke, die uns alle berührt“, schrieb die Schule nach dem Tod des Jungen an alle Eltern. Für Diskussionen sorgt der Fall, weil der Junge auf eine Waldorf-Schule ging. Diese Schulen sehen Kinderkrankheiten „nicht in erster Linie als mit allen Mitteln zu verhindernde Störungen“, sondern „ihr ärztlich begleitetes Durchstehen und Überwinden in gewissem Rahmen als einen Beitrag zur Stärkung der Widerstands- und Entwicklungskräfte des Kindes“, heißt es in einer Mitteilung vom Bund der Freien Waldorfschulen. Es liege in der Verantwortung der Eltern, ob und wogegen sie ihre Kinder impfen lassen. Diese Entscheidungen sollen respektiert werden, ohne Druck oder Diskriminierung. Was ist Diphtherie? Diphtherie ist eine durch Bakterien verursachte Krankheit, die die oberen Atemwege und seltener auch die Haut befällt. Außerdem produziert das Bakterium ein Toxin, das die Atemwege schädigt, sich im ganzen Körper ausbreitet und Herz und Nerven schädigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weist darauf hin, dass Diphtherie jeden treffen kann, sie kommt allerdings am häufigsten bei nicht geimpften Kindern vor. Vor der Einführung des Diphtherie-Impfstoffs und der flächendeckenden Impfung in den 1930er Jahren traten weltweit sehr viele Fälle auf. Seit den 1980er Jahren haben Gesundheitsbehörden Diphtherie weltweit durch systematische Impfungen von Kindern fast komplett besiegt. In jüngster Zeit kommt es laut WHO aufgrund unzureichender Impfungen immer häufiger zu Krankheitsausbrüchen, obwohl ein sicherer und wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. 2023 wurden knapp 25.000 Diphtherie-Fälle gemeldet; die meisten davon in Afrika (18.684) und Südostasien (4934). Im Jahr 2023 erhielten laut WHO schätzungsweise 84 Prozent der Kinder weltweit die empfohlenen drei Dosen des Diphtherie-Impfstoffs im Säuglingsalter, während 16 Prozent keinen oder nur einen unvollständigen Schutz hatten. Bei nicht geimpften Personen kann Diphtherie ohne entsprechende Behandlung in etwa 30 Prozent der Fälle tödlich verlaufen, wobei bei kleinen Kindern ein höheres Sterberisiko besteht.Die meisten Kinder weltweit sind gegen Diphtherie geimpftBild: Bildagentur-online/Schoening/picture alliance Wie wird Diphtherie übertragen? Diphtherie ist eine ansteckende Krankheit, die durch den Erreger Corynebacterium diphtheriae verursacht wird, der bereits 1884 entdeckt wurde. Übertragen wird die Diphtherie von Mensch zu Mensch über Tröpfchen- und Schmierinfektionen, etwa durch Niesen, Husten oder Küssen. Bei manchen Menschen treten keine Krankheitssymptome auf, sie sind aber ansteckend. Bei anderen gibt es leichte oder auch schwere Krankheitsverläufe, die tödlich verlaufen können. Denn das Bakterium erzeugt ein Gift, das die Proteinbiosynthese in den Zellen hemmt – einen lebenswichtigen Mechanismus, der es uns überhaupt erst ermöglicht, körpereigene Eiweiße herzustellen. Welche Diphtherie-Symptome gibt es? Typische Symptome einer Diphtherie sind Halsschmerzen, Fieber, geschwollene Halsdrüsen und Schwäche. Innerhalb von zwei bis drei Tagen nach der Infektion bildet sich in den Atemwegen, am Hals und in der Nase ein dicker, grauer Belag. Es kommt zu Atembeschwerden. Bei Säuglingen kommt es zu eitrig-blutigem Schnupfen. Die Krankheit kann sich dann in den Kehlkopf und die Lunge fortpflanzen und zu Husten führen. Die Lymphknoten schwellen an. Es kann auch zu Hautgeschwüren oder zu Entzündungen im Auge kommen. Über das Blut gelangt das vom Bakterium gebildete Toxin schließlich in die lebenswichtigen Organe wie Leber, Niere oder Herz. Dort kann es lebensbedrohliches Organversagen auslösen. Wie wird Diphtherie behandelt? Ist die Krankheit einmal ausgebrochen, geben Ärzte den Patienten das Antibiotikum Penicillin, um die Bakterien abzutöten und ein Diphtherie-Antitoxin, um die Wirkung des Gifts zu neutralisieren. Das gelingt aber oft nur, wenn die Behandlung frühzeitig beginnt. Zirkuliert das Gift einmal im Körper, kann es noch nach Wochen die Organe schädigen. Der wirksamste Schutz gegen Symptome der Diphtherie ist aber eine Impfung, betont in Deutschland auch das zuständige Robert-Koch-Institut. Normalerweise erhalten Säuglinge im Alter von zwei, vier und elf Monaten drei Dosen zur Grundimmunisierung. Üblicherweise ist dies eine Kombinationsimpfung, die auch gegen Wundstarrkrampf (Tetanus) und Kinderlähmung (Poliomyelitis) wirkt. Eine erste Auffrischungsimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) bei fünf- bis sechsjährigen Kindern, eine zweite im Alter von 9 bis 17 Jahren. Auch Erwachsene sollten den Impfschutz alle zehn Jahre auffrischen lassen. Quellen: Bund der Freien Waldorfschulen zu Kinderschutzimpfungen https://www.presseportal.de/pm/21105/341153 WHO zu Diphtheria – key facts https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/diphtheria RKI zu Diphtherie https://www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/D/Diphtherie/diphtherie-node.html Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreundSchicken Sie uns Ihr Feedback!Ihr FeedbackAnzeige