Kampf um Fläche und Tradition: Reitverein gegen Schulbau
"Die "Freude" über … ", die harmonische Atmosphäre eines Reiterhofs weicht der Sorge um die Zukunft, während -parallel- Bildungsprojekte voranschreiten, was "direkt zu" Spannungen führt.
HomeBerlinReinickendorf – „Reiterhof muss nach 40 Jahren Schulbau weichen"
„Die Kündigung zwischen den Feiertagen war ein ganz schöner Klopper“, sagt Hannah Delille. Die 29-Jährige ist stellvertretende Vorsitzende des Ländlichen Reitvereins (LRV) in Tegel. Delille trägt ihr blondes Haar zum Zopf gebunden, ein schwarzes Stirnband und eine dunkelblaue Daunenweste sollen sie vor dem Berliner Winter schützen. Sie nimmt einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und schaut besorgt auf das Gelände im Bezirk Reinickendorf. Auf der 13.000 Quadratmeter großen Fläche soll ein Zentrum für die sonderpädagogische Förderung im Bereich geistige Entwicklung entstehen. Heißt für den Pferdehof: Alles muss abgerissen und an einen anderen Ort transportiert werden. Dafür haben die Mitgileder bis zum des Jahres Zeit. Am 31. Dezember muss der Stadt braches Land übergeben werden. Der Stadtrat Harald Muschner (CDU) schreibt auf Anfrage der Berliner Zeitung, dass die Schulbaumaßnahme ab 2027 geplant sei. Vom Bezirksamt heißt es, man wolle das Jahr 2026 dafür nutzen, die Fläche für die anstehenden Bauarbeiten vorzubereiten. Wann die Baumaßnahmen im darauffolgenden Jahr genau losgehen sollen, sei noch nicht bekannt. 81 Millionen Euro aus dem Investitionsprogramm 2023–2027 des Landes Berlin sind für das Projekt vorgesehen.
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Für den Verein ist klar: „Für uns zählt jeder Monat, den wir länger hier verbringen können. Deshalb ist es für uns wichtig, ob die Fläche über Jahre ungenutzt bleibt.“ Der Reiterverein hat Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt. Bislang hat sich die Situation nicht geändert. Gänzlich neu ist das Projekkt Schule nicht. „Dass hier gebaut werden soll, ist schon seit mehreren Jahrzehnten geplant, aber dass wir nur noch so wenig Zeit haben, war für uns alle überraschend. Im letzten Jahr haben wir noch unser 40-Jähriges gefeiert.“ Der Reitverein ist einer der letzten seiner Art in Reinickendorf, die Pferde können hier den ganzen Tag an der frischen Luft stehen. Sie wirken unbeeindruckt von dem Straßenlärm, der leise vom Waidmannsluster Damm zu hören ist. Die Reithalle, gefördert vom Land, sei das „Schmuckstück“, sagt Hannah Delille stolz.
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Der Verein finanziert sich neben den Mitgliedsbeiträgen auch durch sogenannte Einsteller, die für ihre Pferde Boxen angemietet haben. Insgesamt stehen 19 Pferde auf dem Hof, neben einem fest angestellten Mitarbeiter kümmern sich die knapp 100 Vereinsmitglieder ehrenamtlich um die Pferde und den Reitbetrieb. So komtm der Verein über die Runden. Aber: „Unser Geld reicht nicht, um die Halle abzureißen. Wir haben Geld von Sponsoren gebraucht, um sie aufzubauen, und brauchen jetzt Fördermittel, um sie wieder abzubauen und abzutransportieren.“ „Mein einjähriger Neffe saß hier schon auf einem Pferd“, sagt Hannah Delille. Viele der Pferde auf dem Hof sind Schulpferde in Rente. Sie lassen sich geduldig von den Kindern streicheln, pflegen und reiten. Während des Gesprächs jonglieren drinnen zwei Mädchen auf einer rot schimmernden Stute.
„Die Kündigung zwischen den Feiertagen war ein ganz schöner Klopper" – Hannah Delille
Dass hier eine Förderschule gebaut werden soll, finden Vereinsmitglieder nicht per se schlecht. „Schulen sind wichtig, vor allem in Berlin“, sagt Delille. „Gleichzeitig stehen sehr viele Gebäude leer. Wieso saniert die Stadt nicht alte Gebäude oder leer stehende Schulen wie das Collège Voltaire in der Cité Foch?“ Die Mitglieder habeen Angst, dass die Fläche nicht so schnell bebaut wird wie angekündigt. Der Schulbau in der Franzosen-Siedlung laufe nur schleppend. „Dann steht das Gelände über Jahre leer, und wir haben vielleicht keinen Verein mehr“, fürchtet Delille. Zudem erfülle auch der Reitverein eine Art Bildungsauftrag: „Kinder lernen hier, wie sie mit Lebewesen umgehen, sind sozial, und das in einem geschützten Raum.“ Wurde den Nachbarn des Vereins auch gekündigt? Das sagt das Bezirksamt Neben dem Reitverein sollen Medienberichten zufolge auch das Reisemobil-Zentrum Berlin sowie weitere Pächter in der Umgebung des Waidmannsluster Damms Kündigungen erhalten haben. Auch Hannah Delille will von weiteren Kündigungen wissen. Danach soll Marians Imbiss ebenfalls weichen. Vor dem Imbiss riecht es am Vormittag nach gebratener Currywurst und gesalzenen Pommes. Der Pott Kaffee kostet hier nur einen Euro, so steht es an den Transparenten vor dem Laden. Den Imbiss gibt es seit ettwa 20 Jahren, er sei eine Kiezlegende, erzählen die Vereinsmitglieder. Die Mitarbeiter vor Ort wollen sich nicht zu einer mutmaßlichen Kündigung äußern.
„Die Kündigung zwischen den Feiertagen war ein ganz schöner Klopper" – Hannah Delille
Der Inhaber des Reisemobil-Zentrums Berlin, Michael Michalk, sagt der Berliner Zeitung auf Anfrage, dass sein Mietvertrag ausgelaufen sei. „Das ist quasi eine Kündigung“, meint er. Das Bezirksamt Reinickendorf bestreitet das. „Die bisherige Berichterstattung über weitere Kündigungen an das Gelände des Reitervereins angrenzender Mieter ist nicht zutreffend.“ Es sei nicht das erste Mal, dass ein Mieter hier wegziehen muss, behauptet Anja, die Mitglied im Reiterverein ist, ihren vollständigen Namen wegen des Jobs als Beamtin aber nicht nennen möchte. Sie erinnert sich, dass das Grundstück vorher von Onkel Pelles Ponyhof genutzt wurde. Onkel Pelle sei ein Schausteller gewesen, der dann in die Insolvenz rutschte. Daraufhin sei der Reiitverein auf das Gelände gezogen.