HomeKorruption: Selenskyj gegen Poroschenko – beginnt in der Ukraine der Wahlkampf? Vorwurf der Korruption: Selenskyj gegen Poroschenko – beginnt in der Ukraine der Wahlkampf? Der ukrainische Präsident sanktioniert seinen Vorgänger. Die Opposition spricht von „Schande“. Bahnt sich in der Ukraine ein heftiger innenpolitischer Streit an?Nicolas Butylin14.02.2025 15:52 UhrDie größten Rivalen innerhalb der Ukraine? Der ehemalige Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, und der derzeitige Staatschef Wolodymyr SelenskyjIn der kriegsgebeutelten Ukraine zeichnet sich ein neuer innenpolitischer Konflikt ab, der das Land in eine hitzige Debatte stürzt. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen Vorgänger Petro Poroschenko sowie mehrere Oligarchen mit Sanktionen belegt.Ein Schritt, der von der Opposition – besonders hinsichtlich der Sanktionierung Poroschenkos – als politisch motiviert und „illegal“ kritisiert wird. Die Maßnahmen gegen Poroschenko, der von 2014 bis 2019 an der Spitze des osteuropäischen Staates stand, umfassen unter anderem die Beschlagnahmung von Vermögenswerten und Reisebeschränkungen. Die Begründung: Poroschenko habe die Ukraine während seiner Amtszeit in eine energiepolitische Abhängigkeit von Russland getrieben.Experte zu Trump-Putin-Plan: „Die USA haben die Ukraine fallen gelassen“Von Nicolas ButylinInternationalesgestern Opposition in der Ukraine spricht von „Schande“ Die Opposition in der Ukraine sieht in den Sanktionen einen gezielten Angriff auf einen politischen Rivalen. Poroschenko, der heute eine oppositionelle Partei anführt, spricht von einer „politischen Schande“ und wirft Selenskyj vor, das Justizsystem für seine Zwecke zu instrumentalisieren. „Dies ist kein Kampf gegen Korruption, sondern ein Kampf gegen politische Gegner“, erklärte Poroschenko.Die Spannungen zwischen Selenskyj und Poroschenko sind nicht neu. Sie zählen zu den erbittertsten Rivalen der ukrainischen Innenpolitik. Bereits während des Präsidentschaftswahlkampfs 2019 standen sich die beiden als Kontrahenten gegenüber. Selenskyj gewann damals mit dem Versprechen, die Korruption zu bekämpfen und den Einfluss der Oligarchen zurückzudrängen. Poroschenko hingegen präsentierte sich als erfahrener Staatsmann, der die Ukraine durch die schwierige Phase nach der Annexion der Krim durch Russland geführt hatte.In Poroschenkos Amtszeit fällt jedoch auch die Eroberung weiter Teile der Ostukraine durch vom Kreml unterstützte Separatisten. Selenskyj hatte 2019 die Präsidentschaftswahl unter anderem mit dem Versprechen gewonnen, die Kämpfe zu beenden.Nun scheint der Konflikt zwischen den beiden Alphatieren der ukrainischen Politik erneut aufzubrechen – und dies könnte den heimlichen Auftakt zu einem neuen Wahlkampf bedeuten. In den sozialen Medien wird derweil spekuliert, dass Selenskyj mit den Sanktionen gegen Poroschenko nicht nur dessen politischen Einfluss schwächen, sondern auch seine eigene Position als Präsident stärken will.2019 fanden mehrere Duelle der beiden Spitzenkandidaten statt – zum Beispiel im Olympiastadion von Kiew.Dreamstime/imago„Wir verteidigen unser Land und stellen die Gerechtigkeit wieder her: Jeder, der die nationale Sicherheit der Ukraine zerstört und Russland geholfen hat, muss zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte Selenskyj. Neben Poroschenko wurden Oligarchen wie der russlandnahe Viktor Medwetschuk, Ihor Kolomojskyj, Hennadij Boholjubow und Kostjantyn Schewaho sanktioniert. „Die Milliarden, die durch den Verkauf der Ukraine, der ukrainischen Interessen und der ukrainischen Sicherheit verdient wurden, müssen blockiert und zum Schutz der Ukraine und der Ukrainer verwendet werden“, rechtfertigte Selenskyj die Sanktionen gegen seine Landsmänner.Die ukrainische Gesellschaft ist jedoch gespalten: Während einige die Maßnahmen als notwendigen Schritt im Kampf gegen Korruption unterstützen, sehen andere darin einen gefährlichen Präzedenzfall, der die Demokratie im Land untergräbt. Die politischen Gräben in der Ukraine vertiefen sich, die Debatte über Selenskyjs Führung wird immer lauter. Auch die Frage, wann in der Ukraine Wahlen stattfinden werden, könnte wieder an Fahrt aufnehmen. Das ukrainische Onlinemedium Kyiv Independent schreibt beispielsweise vom „inoffiziellen Auftakt der Wahlsaison“. Aus dem Ausland nimmt der Wahldruck auf die Ukraine zu So drängen auch die USA Kiew mit zunehmender Härte dazu, Wahlen abzuhalten. „Die meisten demokratischen Staaten halten auch in Kriegszeiten Wahlen ab“, sagte kürzlich der amerikanische Sondergesandte für die Ukraine und Russland, Keith Kellogg. „Ich denke, das ist gut für die Demokratie. Das ist das Schöne an einer stabilen Demokratie: Es gibt mehr als eine Person, die kandidieren kann.“ Auch US-Präsident Donald Trump sagte, in der Ukraine müssten Wahlen stattfinden, sollte es zu einem Friedensabkommen mit Russland kommen.Russland stellt Selenskyjs Legitimität seit längerem infrage. Für Kremlchef Wladimir Putin sei Selenskyj nach Ablauf seiner ersten Amtszeit, die im Mai 2024 offiziell endete, nicht mehr der legitime Präsident der Ukraine.Interview mit Erich Vad: Deutschland spielt für Trumps Ukraine-Pläne keine RolleVon Simon ZeiseInternationalesheuteAufgrund des in der Ukraine verhängten Kriegsrechts können in dem osteuropäischen Land gemäß der Verfassung keine Wahlen stattfinden, argumentieren hingegen ukrainische Juristen und Politiker. Die letzten regulären Präsidentschaftswahlen hätten im Frühjahr 2024 stattfinden sollen – allerdings schob Präsident Selenskyj dem einen Riegel vor. „Das ist nicht der Moment für Wahlen“, sagte er damals. Immer wieder verschoben ukrainische Behörden Termine für Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen.Das politische Establishment in Kiew zweifelt demnach an der Durchführbarkeit von Wahlen in Kriegszeiten. So bleiben Fragen offen, wo Millionen der ukrainischen Binnenflüchtlinge wählen sollen oder wie Ukrainer in besetzten Gebieten ihre Stimme abgeben können. Auch Fragen der Sicherheit werden immer wieder thematisiert. Derzeit kommt es fast täglich zu russischen Drohnenangriffen auf ukrainische Städte – auch weit hinter der Frontlinie in der Ost- und Südukraine.