HomeBerlinHeftige Kritik an 48-stündigem BVG-Streik: „Mal sehen, wann die Stimmung kippt“ Heftige Kritik an 48-stündigem BVG-Streik: „Mal sehen, wann die Stimmung kippt“ Zwei Tage lang keine U-Bahnen, keine Straßenbahnen, fast keine Busse: Das geht der Fahrgastlobby und der CDU zu weit – sogar manchen BVG-Mitarbeitern.Peter Neumann18.02.2025 12:57 UhrAlle Räder stehen still – auch im Omnibus-Betriebshof Britz. Stillleben während des zweiten BVG-Streiks im laufenden Tarifkonflikt. Der zweite Ausstand dauerte wie der erste 24 Stunden.Bernd Friedel/imagoZwei Tage Warnstreik bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Zwei Tage lang keine U-Bahnen, keine Straßenbahnen, fast keine Busse. Die Gewerkschaft Verdi hat die rund 16.600 Beschäftigten des landeseigenen Konzerns dazu aufgerufen, an diesem Donnerstag und Freitag die Arbeit niederzulegen. Wenig verwunderlich, dass das bei der Fahrgastlobby auf Bedenken stößt. „Ein 48-stündiger Warnstreik stellt die Fahrgäste vor nicht überwindbare Herausforderungen“, sagt Christian Linow vom Fahrgastverband IGEB. Auch in der Politik gibt es Kritik. „Im Berliner Verkehr gibt es schon viele Probleme“, so CDU-Verkehrspolitiker Johannes Kraft. Nun setze Verdi noch einen drauf.Von Donnerstag, 3 Uhr, bis Sonnabend, 2.59 Uhr, bleiben die Betriebshöfe und andere Standorte des größten kommunalen Nahverkehrsunternehmens in Deutschland geschlossen. Auch das jüngste Angebot des Arbeitgebers reiche nicht aus, stellte die Verdi-Tarifkommission am Montagnachmittag fest. Während des Warnstreiks verkehren Busse und Bahnen, die nicht von der BVG betrieben werden, weiter – zum Beispiel S-Bahnen und Regionalzüge. Für Freitag lädt Verdi zu einer Demo vor der BVG-Hauptverwaltung ein. Von dort wollen die Gewerkschafter zum Roten Rathaus ziehen. Berliner Fahrgastverband fordert Notangebot bei Streiks – wie in Italien Der Fahrgastverband stellt das im Grundgesetz verbriefte Streikrecht nicht infrage. Doch dass der dritte Ausstand bei den Verkehrsbetrieben doppelt so lange dauert wie die Arbeitsniederlegungen am 27. Januar und 10. Februar, das sei zu lange, kritisiert IGEB-Sprecher Christian Linow am Dienstag. „Sich auf 48 Stunden Stillstand bei der BVG einzustellen, ist für viele Pendler, Schüler, Auszubildende oder Menschen, die einen Krankenhausbesuch machen müssen, schlichtweg nicht möglich“, rief er in Erinnerung. Der Verband richtete eine Forderung an die BVG: „In Anbetracht der enormen Länge dieses Streiks sollte die BVG aus Kulanzgründen über eine Entschädigung der Fahrgäste nachdenken“, sagte Linow. „Des Weiteren erneuern wir mit Nachdruck unsere Forderung nach einem stadtweiten Notangebot von Bussen und Bahnen. Wir erwarten vor allem auch von der Gewerkschaft eine Kooperationsbereitschaft in dieser Hinsicht. Ein Warnstreik, der sich über zwei Tage erstreckt, bedingt schon moralisch Notfahrpläne.“ In anderen Ländern wie Italien gibt es solche Notangebote.E-Scooter warten in Berlin auf Kundschaft. Auch der Sharing-Anbieter Bolt verzeichnet bei Streiks im öffentlichen Verkehr eine höhere Nachfrage.Sven Hoppe/dpaDie Berliner Fahrgastlobby appellierte erneut an alle Beteiligten, „schnellstmöglich konstruktiv an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Arbeitskämpfe sind in einer demokratischen Gesellschaft ein elementares Grundrecht. Umso wichtiger ist es, Streiks als Ultima Ratio zu gebrauchen und nicht inflationär auf dem Rücken der Betroffenen auszutragen“, mahnte Christian Linow.Verdi und der Kommunale Arbeitgeberverband haben die nächsten Verhandlungsrunden für den 26. Februar und den 21. März terminiert. Wie berichtet gilt bis zum März-Termin ein 40-Tage-Ultimatum von Verdi. Für den Fall, dass bis dahin kein akzeptables Angebot auf dem Tisch liegt, droht die Gewerkschaft mit einer Urabstimmung über einen unbefristeten Erzwingungsstreik bei der BVG.Auch der Berliner CDU-Verkehrspolitiker Johannes Kraft rief beide Seiten dazu auf, konstruktiv zu einer Einigung zu kommen. „Es ist nicht Aufgabe der Politik, sich in Verhandlungen der Tarifpartner einzumischen“, sagte er der Berliner Zeitung. Doch er mahnte Zurückhaltung an. „Das jüngste Angebot der BVG wirkt für mich so, als lohne es sich, auf dieser Grundlage weiterzuverhandeln.“ Er sei „skeptisch“, ob es richtig war, vor der nächsten Runde einen so langen Warnstreik anzuberaumen.Wieder Streik bei der BVG: Diesmal stehen Bahnen und Busse 48 Stunden lang stillBerlin•gesternHarter Bahnstreik der GDL: Warum deutsche Fahrgäste neidisch nach Italien blickenBerlin25.01.2024Der Abgeordnete rief dazu auf, die Belange der Fahrgäste in den Blick zu nehmen. Ausfälle und andere Betriebsprobleme plagen nicht nur die Nutzer der BVG. Auch bei der S-Bahn, die während BVG-Streiks die Hauptlast tragen muss, gebe es immer wieder Beeinträchtigungen. „Und jetzt kommt Verdi mit einem 48-Stunden-Streik bei der BVG“: Für ihn sei das schwer verständlich, sagte Johannes Kraft.Wie berichtet hatte die Gewerkschaft erneut die BVG-Beschäftigten befragt, wie sie weiter vorgehen soll. Bei der dritten Rückkopplung nahmen 9873 Mitarbeiter teil, mehr als bei den ersten beiden Malen. Auch die Quote der Warnstreik-Befürworter sei diesmal mit 98,9972 Prozent höher gewesen als vorher, berichtete Manuel von Stubenrauch, Straßenbahnfahrer und Mitglied der Verdi-Tarifkommission. „9774 für Streik und 99 für die Annahme des Angebots“, gab er zu Protokoll. 48 Stunden: Busfahrer fürchten Fahrgastzorn, andere BVGer fordern mehr Doch es gibt auch Berichte, dass BVG-Mitarbeiter 48 Stunden Warnstreik für zu lange halten. „Um es klar zu sagen: Fast alle bei uns sind dafür, die Arbeit niederzulegen. Ein so langer Streik wird von einigen Kollegen nicht nur positiv gesehen“, sagte ein Insider. „Sie befürchten, dass sie viel Unmut von den Fahrgästen abbekommen werden, wenn der Betrieb am Sonnabend wieder anläuft.“ Ein anderer Kommentar lautet: „Mal sehen, wann die Stimmung in der Bevölkerung kippt und das Verständnis sich dreht.“Andererseits gibt es auch viele BVG-Beschäftigte, die sich einen längeren Streik wünschen. In den sozialen Medien wird häufig sogar ein unbefristeter Ausstand gefordert – was aber rechtlich ohne Urabstimmung und eine 75-prozentige Mehrheit vorerst nicht möglich wäre. Mit 48 Stunden betrete die Gewerkschaft die nächste Eskalationsstufe, erklärte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt. Er kann bestätigen, dass es auch Stimmen dafür gab, noch länger die Arbeit niederzulegen – auch in der Tarifkommission.Nahverkehr in Berlin: Warum bei der BVG ab Januar 2025 Warnstreiks drohenVon Peter Neumann24.10.2024 Sharing-Anbieter Bolt freut sich über hohe Nachfrage bei BVG-Streiks Während des Streiks stehen den Berlinern auch die Angebote von Sharing-Anbietern zur Verfügung. Ihr Geschäft boomt, wenn U-Bahnen, Straßenbahnen und die meisten Busse stillstehen. Das zeigen aktuelle Zahlen von Bolt. Das Unternehmen verglich Nutzungsdaten während des zweiten Ausstands bei der BVG am 10. Februar mit regulären Montagen – mit eindrucksvollen Resultaten.„Bei der BVG ist die Party vorbei“: Für die Berliner wird es ungemütlichVon Peter NeumannVerkehr28.01.2025So wurden 150 Prozent mehr Fahrten mit E-Scootern und E-Bikes verbucht, teilte Bolt-Sprecherin Gülin Erdoğan mit. Die Zahl der längeren Touren stieg um 33 Prozent. Bei den Neukunden verzeichnete Bolt sogar 572 Prozent Zuwachs. Beim Carsharing Bolt Drive stieg die Zahl der Fahrten um 84 Prozent. Beim Ridehailing-Fahrdienst Bolt Rides nahm die Zahl der Suchanfragen um 337 Prozent zu. Bei den Fahrten betrug der Anstieg 137 Prozent. BSW findet Forderungen berechtigt „Die BVG-Kollegen haben in den letzten Jahren Reallohnverlust erlitten, den sie jetzt ausgeglichen haben wollen“, sagte Alexander King, Abgeordneter des BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht). „Ich finde diese Forderung berechtigt. Das Angebot der Arbeitgeberseite löst das aber nicht ein.“ Der Senat habe die BVG im Zuge der Kürzungspolitik dazu verdonnert, mehr Kredite für Neuanschaffungen aufzunehmen und zu bedienen, und damit die Situation verschärft, analysierte er. „Im Sinne aller Berliner hofft das BSW, dass Verhandlungen schnell wiederaufgenommen und dann konstruktiv geführt werden“, so King zur Berliner Zeitung. Lesen Sie mehr zum Thema BerlinVerkehrPolitikCDUBVGBündnis Sahra WagenknechtMobilität & InfrastrukturVereinte DienstleistungsgewerkschaftStreikWarnstreik