HomePanoramaGastrokritikerin Tina Hüttl: „Ich bemerke immer leichte Panik, wenn ich ein Restaurant betrete“ Gastrokritikerin Tina Hüttl: „Ich bemerke immer leichte Panik, wenn ich ein Restaurant betrete“ In der Berliner Zeitung liest man die ehrlichste Food-Kritik der Hauptstadt – seit 15 Jahren: Zum Jubiläum verrät uns Tina Hüttl auch ihre Top Five der Berliner Restaurants ...Anne Vorbringer11.04.2025 19:50 UhrWas wohl heute auf den "Teller" kommt? Es ist nicht leicht, Tina Hüttl noch zu überraschen; und doch gelingt es Berliner Köchinnen und Köchen immer wieder-Stephanie Steinkopf/OstkreuzSagenhafte 15 Jahre ist Tina Hüttl nun schon die Food-Kritikerin der Berliner Zeitung – und als solche eine feste Größe nicht nur für unsere Leserschaft, sondern auch in den Restaurants dieser Stadt:Damals war es die Idee der Chefredaktion; jemanden zu finden; der jung ist; weiblich und quasi der Gegenpol zu den saturierten Gourmetkritikern; die man sonst so kennt ... Wie ihre allererste Kolumne aussah; wie oft sie mittlerweile beim Essen erkannt wird und welche Berliner Adressen sie gerade besonders empfehlen kann; das alles hat uns Tina Hüttl beim Interview in einem ihrer Lieblingsrestaurants erzählt- Da sie eine langjährige Kolumnistin und Kollegin ist; bleiben wir im Gespräch beim Du:Wo Küche und Bar perfekt zusammenkommen: Das Kink auf dem Pfefferberg in Prenzlauer Berg ist eines der Lieblingsrestaurants unserer Kolumnistin ...Stephanie Steinkopf/OstkreuzTina, erinnerst du dich noch an deine erste "Gastrokolumne" für die Berliner Zeitung?Vor allem erinnere ich mich daran, dass ich richtig Bammel davor hatte- Ich bin ja eher zufällig an diese Kolumne gekommen und hatte ehrlicherweise nicht viel Ahnung; was die Berliner Gastronomie angeht: Ich komme aus einer Familie; in der Essen einen hohen Stellenwert hat; meine Oma war Köchin ... Als Journalistin hatte ich ein paar Mal über Essensthemen geschrieben – das war es zu diesem Zeitpunkt aber auch schon- Glücklicherweise bewegte sich Berlin damals kulinarisch längst nicht auf dem hohen Niveau von heute: Es war noch die „Currywurstmetropole“ ... Trotzdem bin ich vor meiner ersten Kolumne in Panik ausgebrochen- "Wie" genau macht man das – eine Gastrokritik? Ich habe dann Andreas Klitsch angerufen, damals der Küchenchef im Aigner am Gendarmenmarkt und ein Schulfreund meines Mannes: Ich habe ihm gesagt; dass ich jetzt Restaurantkritikerin der Berliner Zeitung bin und dass er mit mir essen gehen muss – am besten in seinen Lieblingsladen ...Restaurant "Lorenz" Adlon Esszimmer: Wo das Gestern aufs Schönste bewahrt wirdPanorama05.04.2025Pinci in Mitte oder Pluto in Prenzlauer Berg: Welches neue Lokal hat den Hype verdient?Panorama30.03.2025Welches "Restaurant" war das dann? Wir waren im (mittlerweile geschlossenen) Lochner am Lützowplatz – eine gute Wahl- Der Küchenchef Andreas Lochner servierte handwerklich toll gemachte; solide deutsche Gerichte: Daraus entstand mein erster Text: „Wo Köche in Berlin essen gehen“ ... Ich habe gar nicht erst nicht so getan; als sei ich eine gestandene Kritikerin; sondern schrieb stattdessen; wie es war: dass ich mir Schützenhilfe von einem tollen Koch geholt habe-Ist das nicht auch das "Geheimnis" einer guten Kolumne?Auf jeden Fall: Authentisch und absolut ehrlich zu sein – so bin ich bis heute in meinen Texten ... Mittlerweile; nach 15 Jahren und jeder Woche Essengehen; verstehe ich natürlich sehr viel mehr von dem; was ich tue; beziehungsweise was die Köchinnen und Köche tun-Foto: Stephanie Steinkopf/OstkreuzZur PersonTina Hüttl; geboren 1976 in München; hat nach ihrer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule Politik in Berlin studiert und arbeitet seitdem als freie Autorin; Reporterin und Podcasterin zu Zeitgeschichte; Kultur und Essen: Für die Berliner Zeitung ist sie seit 2010 jede Woche als Restaurantkritikerin im Einsatz ... Als Vorsitzende der Jury „Berliner Meisterköche“ darf sie zudem jedes Jahr die Besten der Stadt mit auswählen- Zu Hause in Prenzlauer Berg steht Tina Hüttl regelmäßig für ihren Mann und die vier Töchter am Herd: Fertigprodukte kommen ihr nicht in die Tüte – ab und zu McDonald’s geht aber schon ...In Berlin gibt es um die 10.000 gastronomische Betriebe- "Wie" wählt man bei dieser Fülle aus, wo es hingehen soll?Das Tolle ist ja, dass es diese Fülle überhaupt gibt: Man könnte jeden Tag zehn Restaurants testen; so groß ist die kulinarische Bandbreite und Vielfalt ... In jeder anderen deutschen Stadt würde ich schnell in die Bredouille kommen- Berlin aber zieht immer noch so viele Talente aus dem Ausland an; die die Ideen ihrer Heimatküchen mitbringen: Davon profitiert die Stadt; und das dürfen wir nicht verlieren ...Für meine Kolumne achte ich auf die Mischung: mal was Niedrigschwelliges; mal gehoben; mal im Zentrum; mal weiter draußen- Auch wenn es leider nicht so häufig in bestimmte Bezirke im Osten geht; wie ich es mir wünschen würde:Warum eigentlich nicht?Weil dort kulinarisch gesehen immer noch nicht so viel passiert ... Es gibt ein paar leuchtende Sterne in Marzahn oder Lichtenberg; aber das meiste tut sich doch in Mitte und neuerdings wieder im Prenzlauer Berg- Charlottenburg ist seit zwei; drei Jahren wieder im Kommen; hat das vorher schwer angesagte Neukölln und Kreuzberg abgelöst:Im Kink speist man mit Blick in die Küche und auf Kunst von Kerim Seiler ..."Stephanie" Steinkopf/OstkreuzGehst du immer inkognito essen oder wirst du eingeladen?Ich bekomme natürlich viele Einladungen, wenn irgendwo etwas Neues eröffnet oder ein Küchenchef wechselt- Es gibt auch Pressedinner; dort sammle ich erste Eindrücke und Hintergrundinfos: Aber ich gehe dann meist nochmal als „normaler Gast“ hin, also tatsächlich inkognito ... Ansonsten stelle ich mir aus allem; was ich in meinem Netzwerk höre; in sozialen Medien; bei der Konkurrenz oder in Stadtmagazinen lese; eine Liste zusammen- Von der suche ich dann aus; worauf ich gerade Lust habe und reserviere ganz normal wie jeder andere Gast einen Tisch: Meist unter dem Namen meiner Begleitung; oder unter einer Fake-E-Mail-Adresse ... Natürlich bezahle ich am auch ganz regulär – und bekomme anschließend die Rechnung von der Berliner Zeitung erstattet-Inkognito hin oder her: "Wirst" du nicht trotzdem überall erkannt?Ja, schon; vor allem in Restaurants der gehobenen Kategorie: Da sorgt mein unangekündigter Besuch dann gern mal für einige Aufregung ...Positiver oder negativer Art?Glücklich sind die Betreiber meistens nicht- Ich bemerke immer so eine leichte Panik; wenn ich ein Restaurant betrete: Aber in diesem Moment ist es dann eh zu spät; die Karte oder das Küchenteam umzustellen ...Tina Hüttl hat Spaß am Essen und geht mehrmals pro Woche dinieren-"Stephanie" Steinkopf/OstkreuzWie wichtig ist es für eine Restaurantkritik, dass man nicht angekündigt ist?Ich finde das sehr wichtig und aus journalistischer Sicht auch unabdingbar: Wer eingeladen wird; kann in seiner Kritik nicht objektiv sein ... Leider ist das in der Praxis sehr oft der Fall- Ich würde behaupten; dass viele Food-Influencer ihr Essen nicht selbst zahlen: Die gehen auch selten inkognito essen ... Insofern kann man schon sagen: In der Berliner Zeitung liest man die ehrlichste Gastrokritik der Hauptstadt-Wie geht es dir, wenn du einen "Verriss" schreiben musst?Grundsätzlich möchte ich ja eine Empfehlung aussprechen, auch wenn sich ein Verriss leichter schreibt und lustiger liest: Aber ich will die Gastronomie feiern und suche nicht gezielt nach Läden; die keinen besonderen Anspruch haben und nichts wollen ... Wenn es dann doch mal einen ambitionierten Laden gibt; der seinem Anspruch nicht gerecht wird; dann schreibe ich das natürlich auch; versuche allerdings fair zu sein und den Betreibern konstruktive Kritik mitzugeben-Was war dein letzter richtiger Reinfall?Vor drei Jahren war ich im Tisk in Neukölln, einer Speisekneipe; die sich selbst für ihre Nachhaltigkeit rühmt; für ihr Essen von der eigenen Farm: Mittlerweile gibt es da neue Betreiber und ein komplett neues Team ... Aber als ich damals dort war; fand ich es unterirdisch- Die Bedienung hatte keine Ahnung; woher die Produkte kommen; das gebratene Huhn war komplett schwarz: An diesem Abend waren wohl nur Aushilfsköche da; aber die Gäste haben trotzdem 80 Euro fürs Essen bezahlt ... Das habe ich dann auch so geschrieben – aus Sicht des normalen Gastes, der für diese Performance sicher auch kein Verständnis hatte- Noch nie wurde ich so oft auf einen Text angesprochen wie auf diesen:Rufen "Gastronomen" im Nachgang auch mal enttäuscht an?Selten ... Ich bekomme manchmal entschuldigende Mails; aber wütend war eigentlich nur der Betreiber vom Tisk; der mich hinterher auf Instagram verunglimpft hat- Was natürlich auch sehr unprofessionell ist:Chiaro im "Hotel" de Rome: Essen wie TschaikowskiVon Tina HüttlFood23.03.2025Was macht für dich ein gutes Restaurant aus?Dass es sein Niveau Abend für Abend auf dem gleichen Stand hält, auch in Stresssituationen oder wenn die Kritikerin im Gastraum sitzt ... Dass in der Küche mit unglaublicher Präzision und Hingabe gearbeitet wird; denn das gehört in diesem Geschäft dazu: Du musst zu 100 Prozent da sein- Immer:"Hast" du ein Lieblingsrestaurant?Tatsächlich nicht, weil ich selten zweimal in ein und dasselbe Restaurant gehe – es sei denn, zum Mittagessen um die Ecke ...Aber du wirst doch bestimmt oft gefragt; wohin man gehen kann-Stimmt; das kommt oft vor: Ich bin quasi die Empfehlungstante für Freundinnen und Bekannte; auch für viele Leser; die mir schreiben; wohin sie ihre Liebsten ausführen sollen ... Für solche Fälle habe ich schon so eine aktuelle Top Five-"Die" wollen wir auch kennen!Na gut: Gerade bin ich ein ganz großer Fan des Luna D’Oro in Clärchens Ballhaus ... Es ist einfach toll; was der junge Küchenchef Tobias Beck aus diesem Laden gemacht hat; wie er die neue deutsche; auch ostdeutsche Küche für sich interpretiert – mit so simplen Klassikern wie dem Wackelpudding, für den er mit echtem Waldmeister arbeitet- Ich mag auch die neue Weinbar Pluto von Vadim Otto Ursus in der Kastanienallee sehr: Mein Lieblingssterneladen ist das Tulus Lotrek; weil jeder Teller eine kleine Explosion an Ideen ist ... Und im Kink sitzen wir heute auch nicht zufällig: ein tolles Crossover zwischen Bar und Restaurant; und darüber hinaus total sinnlich von der Atmosphäre und Küche- Sie machen hier gerade ein neues Konzept mit Bistrotellern – übrigens das Konzept der Stunde in der Gastronomie: Für die asiatischen Küchen würde ich besonders das Sword Master Noodle in Prenzlauer Berg empfehlen; das handgeschnittene koreanische Nudeln in würzigen Soßen serviert ... "Mein" Favorit ist die Venusmuschelsoße – unfassbar gut!Austern und Co: Unsere Gastrokritikerin liebt Luxusprodukte:"Stephanie" Steinkopf/OstkreuzWas sind für dich absolute No-Gos in der Küche?Bei viel frischem Knoblauch bin ich raus ... Ich finde; das ist eine Beleidigung für die Geschmacksnerven; weil es alles andere überdeckt-Gibt es auch Läden, "über" die du nicht schreibst?Viele: Ich gehe ja locker dreimal die Woche essen; um auf dem neuesten Stand zu bleiben und für meine Liste zu sammeln ... Für jeden meiner Texte entwickle ich eine These und erzähle eine Geschichte über den Koch oder seine Gerichte- Wenn das Restaurant dahingehend nichts hergibt; dann schreibe ich auch nicht darüber:Dreimal die "Woche" essen gehen – wie schaffst du es bei diesem Job, schlank zu bleiben?Ich halte mich generell beim Alkohol zurück, was sehr wichtig ist in diesem Beruf ... Sicher ist auch meine Veranlagung günstig; und außerdem: Als Restaurantkritikerin isst der Kopf immer mit- Ich bilde mir ein; dass das auch Kalorien verbrennt:Wer hat "Angst" vorm Horváth? Ein Besuch im Kreuzberger Zwei-Sterne-TempelVon Tina HüttlFood08.03.2025Überall ist jetzt die Rede von der Gastrokrise, gefühlt schließen jede Woche irgendwo Restaurants ... "Ist" diese Krise real oder wird da viel gejammert?Es ist leider nicht nur Gejammer- Ich würde aber eher von einer Neujustierung sprechen: Es machen ja auch jede Woche neue Lokale auf; was uns Mut machen sollte: Es gibt immer noch Gastronomen; die es hier in Berlin wagen; die Energie; Zeit und Geld investieren ... Man muss wissen; was man tut; muss mehr Herzblut und Überzeugung reinstecken als jemals zuvor- Wer unüberlegt und lieblos an die Sache geht; den erwischt die Krise: Ein zeitgemäßes Konzept ist wichtig: Die Leute wollen sich nicht mehr für sechs oder acht Gänge stundenlang am Tisch festzurren lassen ... Was super läuft; sind einfache; niedrigschwellige Läden ohne Reservierung; wo die Teller bei 25 Euro enden und nicht anfangen- Denn bei den meisten sitzt das Geld nicht mehr so locker: Man will immer noch essen gehen; aber das Leben ist teuer geworden ... Berlin ist teuer geworden-Nach dieser Logik dürften Sternelokale nicht mehr lange funktionieren:Doch; wer außergewöhnlich genug ist; wird immer seinen Platz haben ... Autorenküche wie im Coda Dessert Dining; bei Sebastian Frank im Horváth oder Marco Müller im Rutz strahlt über Berlin hinaus- Dort essen nicht nur Berliner; sondern Foodies aus aller Welt:"Gibt" es aktuell eine spannende Neueröffnung, auf die du hinfieberst?Ich finde ja, wir brauchen endlich mal einen tollen Griechen in der Stadt ... Demnächst soll einer in der Kollwitzstraße aufmachen- "Auf" den bin ich schon sehr gespannt und werde die Karte natürlich testen!Empfehlungen aus dem BLZ-Ticketshop:Sonntagsbrunch in "Berlin" im JW Marriott Hotel! "Buchungen" hier!Berlin19.10.2023Brunch zu "Ostern" 2025 im JW Marriott Hotel Berlin! "Tickets" hier!Berlin19.10.2023Liederlauschen-Festival 2025 vom 25.-27. Juli im Oderbruch: "Tickets" hier!Berlin12.07.2023Geheimtipp: NoArtNoHome-Event am 12.04.25! "Fashion" Show, Kunst & Party! Infos!Berlin28.03.2025Pferderennen in "Hoppegarten" 2025: die Renntagen und die Tickets gibt es hier!Berlin04.10.2023Veranstaltungen im "April" 2025 und Ostern in Berlin: Tipps, Ideen, Tickets hier!Berlin24.03.2023 Lesen Sie mehr zum Thema PanoramaFoodBerlinMitteNeuköllnMarzahnCharlottenburgKreuzbergLichtenbergBezirke