brics treffen selbstbewusstes

HomeInternationalesBrics-Treffen: Guterres in Kasan, selbstbewusstes Russland genießt Gipfelerfolg Guterres in Kasan: Selbstbewusstes Russland genießt Brics-Gipfelerfolg Gerüchte, Themen und Differenzen: die nicht-westliche Welt auf dem Weg zu eigenen Zielen. Update vom Brics-Gipfel aus Kasan. Unser Reporter ist vor Ort.Thomas Fasbender23.10.2024 13:52 UhrUN-Generalsekretär António Guterres während seiner Ankunft beim Brics-Gipfel im russischen Kasan.SNA/imagoJedes Gipfeltreffen lässt die Gerüchteküche kochen, erst recht ein von der westlichen Welt derart misstrauisch beäugtes wie das der Staatengruppe Brics im russischen Kasan. Was bedeutet die Absage des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva, angeblich wegen einer leichten Hirnblutung nach einem Sturz? Gibt es Berührungsängste zwischen dem Iran und den Arabern in Gestalt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)? Was steckt hinter dem Treffen Wladimir Putins mit dem VAE-Präsidenten Muhammad bin Zayid Al Nahyan in Moskau drei Tage vor dem Gipfel? Werden Aserbaidschan, die Türkei und andere, deren Präsidenten am Mittwoch in Kasan eintrafen, in die Gruppe aufgenommen?Immerhin ist jetzt klar, dass der Gipfelausrichter Russland den Begriff „Brics“ für neun Staaten benutzt: die ursprünglichen Mitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika plus die 2024 aufgenommenen Iran, VAE, Ägypten und Äthiopien. Die „Brics+“, die am Donnerstag zusammentreten, sind also die neun erweitert um solche Länder, die in unterschiedlicher Form ihr Interesse an einer Zusammenarbeit bekunden.Brics-Gipfel in Kasan: Indiens Premier Narendra Modi (v.l.), Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi JinpingAlexander Shcherbak/TASS/imagoDazu gehören auch die echten Beitrittskandidaten, etwa Aserbaidschan und die Türkei. Zuletzt war Kuba in dieser Gruppe gehandelt worden – doch statt des kubanischen Präsidenten Miguel Díaz-Canel kam kurzfristig sein Außenminister nach Kasan. Auch da wieder: Gerüchte. Angeblich wollen China und andere vermeiden, dass Russland die Brics mit Ländern wie Kuba allzu weit in ein anti-westliches Fahrwasser manövriert. Wie werden die Brics ihr Wachstum verdauen? Widerlegt ist die am ersten Gipfeltag kolportierte angebliche Berührungsangst der Präsidenten der VAE und des Iran. Beim obligatorischen Gruppenfoto standen beide nebeneinander; andere Aufnahmen zeigen sie lächelnd im Gespräch. Dann verschwand der Emirati jedoch vor der öffentlichen Gipfelrunde am Mittwochvormittag; dort vertrat ihn sein Außenminister. War das der Grund für Al Nahyans Blitzbesuch in Moskau am Sonntag?Die Frage, wie die Brics ihr Wachstum verdauen, also die Frage nach dem künftigen Format, ist ein Kernthema des Kasaner Gipfels. Die Rede ist von 30 bis 40 Interessenten – von echten Beitrittskandidaten bis zu solchen Ländern, die eine Art loser Zusammenarbeit anstreben. Die an einer Vollmitgliedschaft Interessierten sind leicht auszumachen: Ihre Staatschefs sind persönlich in die tatarische Hauptstadt gereist. Neben Aserbaidschan und der Türkei sind das unter anderem Venezuela, Bolivien, Belarus, die Republik Kongo, Tadschikistan, Mauritius, Palästina, Laos und Kirgistan.Saudi-Arabien, das von der russischen Nachrichtenagentur Tass fälschlicherweise als Brics-Mitglied bezeichnet wird, ist in Kasan nur durch seinen Außenminister vertreten. Die noch Anfang des Jahres diskutierte saudische Mitgliedschaft scheint den iranisch-arabischen Spannungen zum Opfer gefallen zu sein; das Land bezeichnet sich inzwischen als „eingeladen“.Gipfel in Kasan: Putin kündigt Brics-Investitionsplattform anNewsvor 4 Std.Der Westen ist nicht am Ende – und die Ukraine auch nichtPolitik•vor 4 Std.Unverkennbar sind die widerstreitenden Zielvorstellungen. Besonders Russland, abgeschwächt auch China, sieht (und benutzt) die Gruppe als Plattform mit anti-westlichem Spin. Dabei hilft ihnen nicht zuletzt der Gazakrieg. Asli Aydintasbas, ein türkischer Außenpolitik-Experte, schreibt in einem Kommentar für das Washingtoner Brookings Institute, Russland und China machten sich „die seit Beginn des Gazakriegs wachsende antiwestliche Stimmung zunutze, indem sie aus der Frustration über die Doppelmoral des Westens sowie über die Anwendung von Sanktionen und wirtschaftlichem Zwang durch den Westen Kapital schlagen“.Das bedeute nicht, dass „die Mittelmächte die amerikanische Dominanz gegen eine chinesische eintauschen wollen, aber es bedeutet, dass sie bereit sind, sich mit Russland und China zu verbünden, um eine fragmentiertere und autonomere Welt zu schaffen“.Der Westen wiederum nutzt die Zweifel der weniger auf Konfrontation mit ihm eingestimmten Mitglieder und Kandidaten. Gelegenheit dazu gibt es reichlich, etwa unter den südostasiatischen Staaten der Asean-Gruppe. Dort versuchen die USA seit langem, dem wachsenden chinesischen Einfluss entgegenzutreten – mit begrenztem Erfolg. Die Länder der Region, über Jahrhunderte hinweg Objekte chinesischer Machtprojektion, agieren vorsichtig und multivektoral. Die meisten sind hochrangig in Kasan vertreten, allerdings nur Laos auf präsidialer Ebene. Von Malaysia hieß es vor einigen Monaten, es habe einen Aufnahmeantrag gestellt; gegenwärtig ist davon keine Rede.Konzert im Rahmen des Brics-Gipfels in KasanVladimir Astapkovich/brics-russia2024.ru/Kazan Republic of Tatarstan Russia/imago Was steckt hinter Lulas Abwesenheit? In Südamerika war die Entscheidung des argentinischen Präsidenten Javier Milei, den bereits abgesegneten Aufnahmeantrag Ende 2023 kurzfristig zurückzuziehen, ein Dämpfer für die Brics-Ambitionen. Ob auch Lulas Absage, nach Kasan zu kommen, Risse im Brics-Gebäude offenbart, ist Spekulation.Jedenfalls ließe sich die Absage protokollarisch interpretieren. Erst vor wenigen Tagen hatte Wladimir Putin auf die Teilnahme am brasilianischen G20-Gipfel im November verzichtet. Aus Moskau hieß es, er wolle das Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer nicht mit seiner Anwesenheit belasten. Angenommen wird jedoch, dass er keine Verhaftung aufgrund des 2023 vom Internationalen Strafgerichtshof ausgestellten Haftbefehls riskieren will. Brasilien, das dem Gerichtshof angehört, hatte allerdings erklärt, ihn nicht festnehmen zu wollen.Putins Sprecher Dmitri Peskow wies jeden Zusammenhang zwischen der Absage der G20-Teilnahme durch Putin und Lulas Abwesenheit in Kasan von sich. Lula nahm denn auch per Video am Gipfel teil; eine Distanzierung von den Brics oder ihren Zielen war seinen Worten nicht zu entnehmen. Gegen brasilianische Zweifel an der Brics-Mitgliedschaft spricht zudem, dass die ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff seit 2023 die Geschäfte der New Development Bank leitet, eines 2014 von den Brics gegründeten und in Shanghai ansässigen Finanzinstituts. Rousseff saß ebenfalls am Gipfeltisch.Brics und Südamerika: Es geht um Rohstoffe, eine Reform der UN und den Krieg in der UkraineInternationalesgesternBrics-Gipfel: Putin eröffnet Treffen der SpitzenpolitikerNews•vor 6 Std.Mit Finanzen hat auch das zweite Thema zu tun, das die Staatengruppe in Kasan bewegt: die Abhängigkeit des Welthandels vom US-Dollar und von westlich dominierten Finanzsystemen wie Swift. Im vergangenen Jahr hatte der Brasilianer Lula eine eigene Brics-Handelswährung vorgeschlagen. Finanzexperten verbinden damit jedoch einen Berg an Problemen. Erst im August äußerte der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar Zweifel daran, ob eine Brics-Währung realistisch ist.Gegenwärtig versuchen die Staaten verstärkt, den bilateralen Handel auf ihre nationalen Währungen umzustellen. Kurz- und mittelfristig ist mit einem vollumfänglich vom Dollar und vom Westen abgekoppelten Finanzsystem nicht zu rechnen; die Ablösung erfolgt über einen längeren Zeitraum. Der türkische Experte Aydintasbas: „China hat jetzt eine Alternative zum Swift-Zahlungssystem, die allerdings nur begrenzt genutzt wird. Länder wie die Türkei und Brasilien schichten ihre Dollarreserven zunehmend in Gold um.“Die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen stehen im Raum, beherrschen aber nicht die Agenda. Wer den öffentlichen Teil der Gipfelaussprache am Mittwoch verfolgt, vernimmt kaum die Worte Recht oder Ordnung – dafür umso öfter Frieden, Verständigung und Kompromiss. Der Kontrast zu analogen westlichen Formaten könnte schärfer nicht sein. Die Unterschiede gehen tief, sie liegen in der Welt-Anschauung, buchstäblich in der Sicht auf die Welt, auf die Verhältnisse. „Länder wollen sich nicht zwischen Partnern entscheiden“ Für Russland ist der Gipfel unbestreitbar ein PR-Erfolg. Tara Varma, eine Gastwissenschaftlerin am Brookings Institute: „Dass so viele Länder bereit sind, auf Russland zuzugehen, das vor nicht allzu langer Zeit noch als Pariastaat galt, weil es mit dem Einmarsch in die Ukraine das Völkerrecht verletzt hat, bestätigt einen Trend, dem weltweit immer mehr Länder folgen: Sie wollen sich nicht zwischen Partnern entscheiden müssen.“Das Gewicht dieser Aussage wird durch die Anwesenheit des UN-Generalsekretärs António Guterres unterstrichen, der am Mittwoch in Kasan eintraf. Bis zuletzt hatte die Ukraine versucht, seine Reise zu verhindern. „Der UN-Generalsekretär hat die Einladung der Ukraine zum ersten Weltfriedensgipfel in der Schweiz abgelehnt. Er hat jedoch die Einladung des Kriegsverbrechers Putin nach Kasan angenommen“, hieß es missgestimmt in einem X-Post des Kiewer Außenministeriums.Erwartet wird, dass Guterres den Kasaner Gipfel nutzt, um bilaterale Treffen mit den anwesenden Staats- und Regierungschefs abzuhalten. Die Frage, ob dabei auch der Gazakrieg zur Sprache komme, beantwortete sein Sprecher Farhan Haq mit dem Wort „sicherlich“. Dasselbe gilt wohl auch mit Blick auf den Ukrainekrieg. Lesen Sie mehr zum Thema InternationalesAuslandGeopolitik

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