HomeBerlinBerlin: Richter rechnet mit Baubranche ab und schickt Unternehmer für Schwarzarbeit in den Knast Richter rechnet mit Baubranche ab und schickt Unternehmer für Schwarzarbeit in den Knast Munir M. baute in Berlin an Prestigeobjekten mit. Er hinterzog Abgaben und Steuern in Höhe von 15 Millionen Euro – nun wurde er zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.Katrin Bischoff23.10.2024 14:33 UhrAuch an den Bauarbeiten am Gasometer soll das Unternehmen von Munir M. beteiligt gewesen sein. Schöning/imagoMunir M. baute in Berlin an prestigeträchtigen Vorhaben mit – seine Firma war rund um den Hauptbahnhof dabei, beim Kudamm-Karree, dem Gasometer. Sie wirkte bei einer Schule und einem Seniorenheim mit. Munir M. schien es geschafft zu haben – er hatte sich augenscheinlich vom armen Jungen aus Serbien zu einem wohlhabenden Bauunternehmer hochgearbeitet, er verdiente als Geschäftsführer 12.500 Euro im Monat, freute sich jedes Quartal auf eine Gewinnausschüttung. Mit seiner Frau und den drei Kindern lebte er in einem Haus.Doch die Karriere des 47-Jährigen nahm ein jähes Ende. Im Januar dieses Jahres wurde er festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt, im März von der Haft verschont, am Mittwoch am Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Munir M. hat durch Schwarzarbeit Steuern und Sozialabgaben hinterzogen – insgesamt 15 Millionen Euro. Und die sollen nun bei ihm eingezogen werden.Munir M. hört der Urteilsbegründung, die 45 Minuten dauert, aufmerksam zu. Er sitzt zwischen seinen beiden Anwälten, hatte die Vorwürfe zu Beginn des Prozesses Mitte August vollständig eingeräumt und erklärt, ihm sei bewusst gewesen, dass Schwarzarbeit strafbar sei. Er stritt lediglich ab, die zwischen März 2016 und Mai 2020 begangenen Taten aus Gier begangen zu haben. So hatte es ihm der Staatsanwalt in seiner Anklage vorgeworfen.Mitglied der linksextremen „Hammerbande“ wohnte Tür an Tür mit der Berliner PolizeiBerlingesternLandgericht Berlin: Manne, 85, darf in seinem Reihenhäuschen bleibenBezirke•vor 4 Std.Der Angeklagte stammt aus Serbien, er hat auch heute noch einen serbischen Pass. Aufgewachsen ist er in ärmlichen Verhältnissen. Mit 17 Jahren ging er nach Deutschland – hatte anfangs kein Geld und kein Dach über dem Kopf. Er habe als minderjähriger Flüchtling schwarzgearbeitet. Das aber habe man dem damals Jugendlichen nicht zur Last legen können, sagt Nicolas Behrend, der Vorsitzende Richter der Wirtschaftsstrafkammer, in der Urteilsbegründung, die zu einer harschen Kritik an der Baubranche wird.Als anfänglicher Bauhelfer hatte sich Munir M. hochgearbeitet. Parallel zu seiner Arbeit absolvierte er ein Fernstudium, war nach drei Jahren Bauingenieur und arbeitete seit 2008 als Bauleiter. Sechs Jahre später ging sein eigenes Bauunternehmen an den Start, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er war.Die Firma, so sagt es Behrend, habe auf diversen Großbaustellen eine sehr umfangreiche Bautätigkeit entfaltet. „Erstes Kriterium bei der Vergabe von Bauaufträgen ist der Preis“, erklärt der Vorsitzende Richter. Man könne den Eindruck gewinnen, dass die Auftraggeber gerne wegschauten, wenn dabei regelmäßig auch Angebote unterbreitet würden, die „ganz ersichtlich bei ordnungsgemäßer Abführung von gesetzlichen Abgaben“ wirtschaftlich unsinnig seien. Angeklagten droht die Ausweisung aus Deutschland Der Angeklagte habe ab 2016 „ganz erheblich Umsätze erzielt“ – bis Mai 2020 seien es insgesamt 34 Millionen Euro gewesen. Im Gegensatz dazu meldete er seine Arbeiter nicht oder nicht richtig an, hatte so eklatant geringe Lohnsummen, dass dies buchhalterisch aufgefallen wäre. Deswegen, so Behrend, habe sich der Angeklagte Serviceunternehmen bedient, die ihm als angebliche Subunternehmer gegen Provision Scheinrechnungen ausgestellt hätten, ohne dafür tätig geworden zu sein.Behrend erklärt auch, wie die Transaktionen abliefen: Die Auftraggeber bezahlten Munir M. für die Leistungen, der wiederum leitete das Geld an das Serviceunternehmen weiter, das das Geld abhob, zehn Prozent als Provision behielt und den Rest an den Angeklagten zurückzahlte. Der Angeklagte konnte damit seine Leute in bar bezahlen und „einen gewissen Teil für sich behalten“. Das, so der Richter, habe zu ganz erheblichen Einbußen bei den Sozialversicherungsträgern und der Berufsgenossenschaft des Baugewerbes geführt.Die Kammer bleibt mit ihrem Urteil unter der Forderung des Staatsanwalts. Er hatte plädiert, Munir M. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren zu verurteilen. Für den Angeklagten spreche, dass er nicht vorbestraft sei und ein umfangreiches, rückhaltloses Geständnis abgelegt habe. Zudem habe der Bauunternehmer 500.000 Euro gezahlt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Dies, so der Richter, dokumentiere eine ehrliche Reue.Tod durch Verwahrlosung: Hätte Carmen T. nur mit Brachialgewalt Hilfe angenommen?Von Katrin BischoffBerlin17.10.2024Munir M. sei außerdem im Berliner Bauwesen groß geworden und habe dort eingespielte Strukturen kennengelernt, die weite Teile dieser Branche durchziehen und sich immer mehr ausbreiten würden. „Er hat nichts anderes kennengelernt, als diese Praxis“, erklärt Behrend. Er sei nicht primär als Steuerhinterzieher tätig geworden. Sein Streben sei jedoch nicht darauf ausgerichtet gewesen, illegale Gewinne zu erzielen.Gegen den Angeklagten spreche das „schiere Ausmaß der Taten“, so der Richter. „15 Millionen Euro sind sehr viel Geld.“ Gewertet werden müsse auch der lange Zeitraum, in dem die Taten lagen. Dies spreche für eine recht hohe kriminelle Energie. Eine Bewährungsstrafe, so wie von der Verteidigung gefordert, komme nicht infrage.Das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, hat laut Behrend für den Angeklagten auch ausländerrechtliche Folgen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass Munir M. aus Deutschland ausgewiesen und damit womöglich von seinen hier aufgewachsenen sieben, zehn und zwölf Jahre alten Kindern und seiner Frau getrennt werde. Lesen Sie mehr zum Thema Berlin