HomeKultur„Babygirl“ von Halina Reijn: Nicole Kidman lernt ihr sexuelles Begehren kennen „Babygirl“ von Halina Reijn: Nicole Kidman lernt ihr sexuelles Begehren kennen Nicole Kidman spielt eine Unternehmerin, die sich einem Praktikanten sexuell unterwirft. „Babygirl“ lässt das Genre Erotikthriller wieder aufleben. Die Kritik.Kevin Gensheimer29.01.2025 11:52 UhrRomy (Nicole Kidman) hat eine Affäre mit dem Praktikanten Samuel (Harris Dickinson).Constantin FilmProbleme, so sagen es die Unternehmer und Manager, seien nur dornige Chancen. Alles, auch das, was einem im Wege steht, kann im Kapitalismus nutzbar gemacht werden. Die Sexualität, dieses lästige Begehren, kann selbstzerstörerisch sein – oder aber leistungssteigernd, wenn man am Morgen danach wie neu geboren ins Büro fährt.Romy (Nicole Kidman) hat ein solches Problem. Als CEO und Gründerin einer Roboter-Firma könnte ihr Leben fast nicht besser verlaufen. Nur im Bett mit ihrem Mann Jacob (Antonio Banderas) kriselt es. In 19 Jahren Ehe hatte sie mit ihm nicht einen Orgasmus. Nach dem Sex schleicht sie sich ins Nebenzimmer und masturbiert zu Pornos im Internet.All das ändert sich, als sie den Praktikanten Samuel (Harris Dickinson) kennenlernt. Vor dem Büro rettet sie der junge Mann vor dem Angriff eines Hundes. Romy beginnt sich für ihn und seine dreiste Art zu interessieren. Er scheint ihre Neugier schnell zu erkennen und lässt sich auf das Spiel ein. Bei einem Interview fragt er sie, ob ihr es nicht auch manchmal gefalle, sich anderen Menschen zu unterwerfen. Romy möchte entrüstet den Raum verlassen, doch dann küssen sie sich heimlich.Nachruf auf David Lynch: Wie kann er uns nur jetzt allein lassen?Kultur17.01.2025Neue Netflix-Serie über Jerry Springer: Inzest, Brüste und der Ku-Klux-KlanKino & Streaming11.01.2025 Nicole Kidman lernt ihr Begehren kennen Es ist der Beginn einer Affäre, bei der Romy zunächst nicht weiß, wie ihr geschieht. Sie lässt sich auf ein Treffen in einem schmuddeligen Hotelzimmer ein. Dort betrügt sie nicht nur ihren Mann mit dem deutlich jüngeren Samuel; sie lernt auch eine neue Seite ihrer Sexualität kennen. Auf allen vieren, wie ein Hund, frisst die Unternehmerin aus der Hand des Praktikanten. Dann drückt er sie auf den schmutzigen Teppichboden und befriedigt sie.In der ewig andauernden Szene, in der Hauptdarstellerin Nicole Kidman die Komplexität und Unentschlossenheit ihrer Figur wohl am eindrücklichsten Ausdruck verleiht, sehen wir nicht nur eine Frau, die im Zwiespalt zwischen ihrer beruflichen Machtposition einerseits und ihrer Lust nach sexueller Unterwerfung andererseits steht; wir sehen auch eine Frau, die erst herausfinden muss, was sie überhaupt möchte. Was wir sexuell begehren, so zeigt es uns der Film, müssen wir nämlich erst lernen.„Babygirl“ ist der dritte Spielfilm der niederländischen Regisseurin und Drehbuchautorin Halina Reijn, die bereits mit ihrem Debütfilm „Instinct“ einen Erotikthriller drehte. Es folgte die Horrorkomödie „Bodies Bodies Bodies“, die mit abgeschmackten Klischees über die Generation Z leider enttäuschte. Für ihren neuesten Film „Babygirl“ schrieb sie ihrer Hauptdarstellerin Nicole Kidman die Rolle der sexuell frustrierten Unternehmerin Romy auf den Leib.„A Real Pain“ von und mit Jesse Eisenberg: Eine melancholische Reise durch PolenKino & Streaming14.01.2025„Queer“ von Luca Guadagnino: Daniel Craig brilliert als opiumsüchtiger AußenseiterKino & Streaming30.12.2024Im Gespräch mit dem amerikanischen Magazin Vanity Fair gab die Regisseurin Reijn an, sie habe sich für „Babygirl“ von ihrem niederländischen Regiekollegen Paul Verhoeven und seinem 1992 erschienenen Film „Basic Instinct“ inspirieren lassen. Der Erotikthriller ist bekannt wegen der ikonischen Szene, in der Hauptdarstellerin Sharon Stone während eines Verhörs ihre Beine übereinanderschlägt und dabei keine Unterwäsche trägt.„Babygirl“ dreht nun die Geschlechterverhältnisse um. War Sharon Stone in „Basic Instinct“ eine Femme fatale, die einen gebrochenen Kommissar um den Finger wickelte, ist Nicole Kidman in „Babygirl“ ihrer eigenen Begierde und dem jungen Praktikanten Samuel unterworfen. Dabei erinnert der Film weniger an „Basic Instinct“ als an den ebenfalls von Paul Verhoeven gedrehten Film „Elle“ mit Isabelle Huppert, in der die weibliche Hauptfigur sich auf ein gefährliches Spiel mit ihrem Vergewaltiger einlässt.Im Genre Erotikthriller zeigt sich die subversive, aber auch die gefährliche Kraft der Sexualität. In Stanley Kubricks Meisterwerk „Eyes Wide Shut“ riskiert Tom Cruise nicht nur seine Ehe, nein, gleich sein ganzes Leben für einen einzigen Seitensprung. Obwohl ihm dieser nicht gelingt, beichtet er seiner Frau (ebenfalls gespielt von Nicole Kidman) seine sexuellen Fantasien, die er vergeblich außerhalb seiner Ehe suchte. An der selbstzerstörerischen Kraft der Sexualität geht er fast zugrunde. „Babygirl“: Erotikthriller mit Abwandlung Halina Reijns neuer Film „Babygirl“ will mit dieser Genealogie brechen und ein positiveres Bild der Sexualität entwerfen. Empfindet Romy ihre Beziehung zu dem jüngeren Samuel anfangs noch als etwas Toxisches und Zerstörerisches, will dieser wiederum schnell Klarheit schaffen: Beim Sex gehe es um Konsens, auch in einer solchen masochistischen Dynamik. Sie solle ihm sagen, dass es ihr gefällt, sich zu unterwerfen, und alles tun, was er ihr befiehlt. Sie machen ein Codewort aus, mit dem sie ihre masochistischen Spiele jederzeit beenden können: Jacob – der Name ihres Ehemanns.Als dieser irgendwann von ihrer Affäre mit dem jungen Praktikanten erfährt, prügelt er sich vor den Augen von Romy mit seinem Nebenbuhler. In der folgenden Aussprache wirft Jacob seiner Frau vor, sie begehre den jungen Samuel bloß, weil sie sich selbst zerstören wolle und das Drama brauche. Samuel entgegnet ihm, dass das ein veraltetes Konzept von Sexualität sei. Vielmehr gehe es doch darum, seine Lüste offen auszuleben.An der Sexualmoral des Filmes wirkt daher einiges problematisch, allen voran die Idee, die Unternehmerin Romy ist erst wieder eine gute Unternehmerin, wenn sie ihre sexuellen Probleme aus der Welt geschafft hat. Sexualität und Begehren werden hier dem kapitalistischen Prinzip der Leistungssteigerung unterworfen, bei dem sie reine Mittel zum Zweck sind. Zum anderen wird die Sexualität als etwas durchweg Positives verstanden, bei dem es letztendlich nur darum geht, die richtige Balance für sich selbst zu finden. Die Sexualtherapeuten würden dem wohl zustimmen, für uns Zuschauer, die im Kino mehr erleben wollen als das echte Leben, wird das hingegen sehr schnell etwas langweilig.Babygirl mit Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas. Regie: Halina Reijn. USA 2024. Laufzeit: 114 Minuten. Ab 30. Januar in den deutschen Kinos. Lesen Sie mehr zum Thema KulturKino & StreamingNicole KidmanSharon Stone