S Auftritt von J.D. Vance in München: Mit der flachen Hand in die Suppe – AktuelleThemen.de

HomeAuftritt von J.D. Vance in München: Mit der flachen Hand in die Suppe Auftritt von J.D. Vance in München: Mit der flachen Hand in die Suppe Seit Tagen steht die geopolitische Welt Kopf – und Trumps Vize liest Europa die demokratischen Leviten. Unser Reporter ist in München dabei.Thomas Fasbender14.02.2025 16:37 UhrUS-Vizepräsident J.D. Vance vor der 61. Münchener Sicherheitskonferenzwww.imago-images.deEs ist lange her, dass die Münchener Sicherheitskonferenz ähnlich im Rampenlicht stand wie in diesem Jahr. Seit Donald Trumps eineinhalbstündigem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Mittwoch steht die geopolitische Welt Kopf. Will Trump die Ostukraine herschenken, für Kiew auf die Krim verzichten, desgleichen auf die ukrainische Nato-Mitgliedschaft?So hatte es der neue amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegseth am Freitag im Brüsseler Nato-Hauptquartier verkündet. Auch die Stationierung von US-Soldaten in der Ukraine oder ein Nato-Mandat für eine Friedenstruppe komme für die Amerikaner nicht infrage. Inzwischen versucht der Washingtoner Apparat zwar, Hegseths Worte wieder einzufangen, doch der Eindruck bleibt: Das Team Trump legt seine Karten ohne alle Not offen auf den Tisch.In Europa herrscht helles Entsetzen. Zumal der Mann im Weißen Haus keinen Zweifel daran lässt, dass der Alte Kontinent den Wiederaufbau in Osteuropa aus eigener Tasche zu finanzieren hat – die Rede ist von tausenden Milliarden Euro. Plus Rüstungsausgaben im Umfang von bis zu fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Entsetzen als Erwartungshorizont Dieses Entsetzen bildet den Erwartungshintergrund der Konferenz. Dazu passt der Wintereinbruch, der am Freitagmorgen Kälte und Schnee in die bayerische Landeshauptstadt bringt. Vor dem blassen Stein der Feldherrenhalle demonstrieren die iranischen Volksmudschahedin mit ihren grün-weiß-roten Flaggen. Aufpeitschende Reden in Farsi halten die Gemüter warm; eine Combo mit Becken und Trommeln begleitet den Auftritt mit ihrem Lärm.„Bei solchem Wetter zeigt sich, wer die echten Kämpfernaturen sind“, sagt Shahin Gobadi, der Schattenaußenminister der in Paris ansässigen Opposition. Alljährlich zum Konferenzauftakt kommen die Volksmudschahedin auf den Odeonsplatz, und 2025 wirken sie besonders motiviert. Mit dem Sturz des syrischen Assad-Regimes im Dezember, so Gobadi zur Berliner Zeitung, sei auch ein Pfeiler der iranischen Außenpolitik zusammengebrochen. Repression im Inneren und Terror in der Region, so fasst er die Teheraner Politik zusammen. 50 Milliarden Dollar habe das sanktionierte Land in die schiitische Achse bis zum Mittelmeer investiert – alles für die Katz.Christoph Heusgen, dessen Ära als Konferenzchef nach nur zwei Veranstaltungen zu Ende geht, startet mit einer Gedenkminute für die Opfer des Münchener Terroranschlags am Vortag. Dann begrüßt er die Delegationen aus den USA und der Ukraine. Der Akt vermittelt ein Vorgefühl: zögerlicher, kurzer Applaus für die Gäste aus Washington, kräftiger, langanhaltender Applaus für die Kiewer.Interview mit Erich Vad: Deutschland spielt für Trumps Ukraine-Pläne keine RolleInternationalesheuteExperte zu Trump-Putin-Plan: „Die USA haben die Ukraine fallen gelassen“InternationalesgesternNoch weigern sich die Europäer, auf den neuen Realo-Kurs jenseits des Atlantiks umzuschwenken. Auch Heusgens kurze Ansprache klang wie ein ferner Nachhall verflossener Merkel-Zeiten – Appelle an die Herrschaft des Rechts, an dessen Stärke im Gegensatz zum Recht des Stärkeren, an die multilaterale Ordnung.Es ist ein Abgesang, der zu Heusgens bevorstehender Ablösung als MSK-Chef passt. Dem Vernehmen nach störte sich sein Vorgänger, der weiterhin mächtige Wolfgang Ischinger, an Heusgens Weigerung, Russland zu der Konferenz einzuladen. Mag sein, dass Heusgen damit auf der richtigen Seite der Geschichte steht – unbeantwortet bleibt die Frage, ob die Geschichte selbst immer auf der richtigen Seite steht.Auch die Worte des Bundespräsidenten verdeutlichten die Bauchschmerzen, mit denen die europäische politische Klasse auf den Paradigmenwechsel in den USA reagiert. Knallharte Realpolitik statt blumiger Wertepolitik, Kraft des Willens und der Macht statt Kraft der Normen und Regeln – daran werden die Europäer noch zu kauen haben. Zeitgeist-Chamäleon Ursula von der Leyen Als Ausnahme erweist sich die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, ein wahres Zeitgeist-Chamäleon. Sie verliert so gut wie kein Wort zu Werten, Normen oder Ordnungsvorstellungen, projiziert null Nostalgie – stattdessen Fokus auf Interessen (und deren kluge Definition), auf Pragmatismus im Handeln, klar formulierte, realistische Ziele und selbstbewusstes Agieren. Angela Merkels Ziehtochter ist weit gekommen, und sie lässt keinen Zweifel daran, auch unter dem neuen, dem Realo-Paradigma im europäischen Führerhaus stehen zu wollen.Und dann J.D. Vance, der neue US-Vizepräsident. Sein Auftritt war der sprichwörtliche Schlag mit der flachen Hand in die Suppe. Von wegen Aussagen zur amerikanischen Ukrainestrategie, von wegen Stellungnahmen zur Nato-Zukunft. Vance war gekommen, den Europäern die demokratischen Leviten zu lesen. Und zwar ohne Rücksicht auf Verluste.Die Objekte seines Zorns: die Annullierung der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahl im November; die Worte des Ex-EU-Kommissars Thierry Breton „Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es, wenn nötig auch in Deutschland tun“; die Beschränkungen von Hassrede und „Desinformation“ im europäischen Internet, das Verbot von Lebensschutz-Demonstrationen vor Abtreibungskliniken in einigen europäischen Ländern. Desinformation nennt er überhaupt ein „Sowjetära-Wort“. „Demokratie braucht keine Brandmauern“ Vance wirft den Europäern vor, politische Volksvertreter auszugrenzen und zu unterdrücken – eine klare Anspielung auf die Brandmauer-Diskussion in der Bundesrepublik und anderen Ländern. Er lehnt auch ab, dass es fremde Mächte seien, etwa Russland, die mit ihren Trollen und Bots Zwietracht nach Europa trügen: „Die Krise des Kontinents ist hausgemacht. Wenn ihr Angst vor euren eigenen Leuten habt, dann kann Amerika nichts für euch tun.“ Sein Fazit: „In Europa ist die freie Meinungsäußerung in Gefahr.“ Demokratie basiere darauf, dass man den Menschen zuhöre, „Demokratie braucht keine Brandmauern“.Geschockte Gesichter im Saal und im Medienzentrum. Eine Standpauke in Sachen Demokratie hat hier niemand erwartet. Spärlichster Applaus begleitet Vances Worte; die Kamera dokumentiert die versteinerte Miene des deutschen Verteidigungsministers.Und der Vizepräsident lässt nicht locker. Wieviele Anschläge ausreisepflichtiger und polizeibekannter Asylbewerber wollten „wir“ noch erdulden, bevor „wir“ – die gemeinsame westliche Zivilisation – die politische Richtung änderten, fragt er. Die Menschen sorgten sich und die Menschen seien klug. Sie würden sich nicht herumschubsen lassen. Vance wörtlich: „Der Glaube an Demokratie bedeutet, dass man an die Weisheit der Menschen glaubt.“Ukraine-Transit beendet: Russische Gaslieferungen über TurkStream steigen auf neues RekordhochWirtschaft12.02.2025Trump und Putin: Deutsche Politiker rasten aus, sprechen von „Verrat“ und DiktatInternationales•gesternEs ist ein Auftritt, der noch viel Nachdenken auslösen wird. Die Ratio der Argumentation ist offensichtlich. Amerika ist das Land der Meinungsfreiheit; das Recht darauf, zu sagen, was man will, ist in der US-Mentalität so tief verankert wie das Recht auf Waffenbesitz.Aus Sicht des Trump-Lagers ist freie Meinungsäußerung zugleich auch ein Merkmal der westlichen Zivilisation. Jede Einschränkung gilt als Häresie, als Vergehen an den kulturellen Wurzeln. Ein Europa, das sich davon abwendet, wendet sich dieser Logik folgend vom Westen ab – das erklärt Vances mehrfach angeführte Vergleiche des gegenwärtigen Europas mit der einstigen Sowjetunion.Nicht ausgeschlossen, dass man den Vance-Vortrag in seiner Wirkung irgendwann mit dem des russischen Präsidenten vor der gleichen Konferenz im Jahr 2007 vergleicht. Damals wurde Europa durch Putins scharfsichtige Vorhersage künftiger Konflikte im Osten aus seinen Blütenträumen nach dem „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) gerissen.18 Jahre später folgt das zweite Erwachen. Diesmal sind es die USA, wo das Team Trump sich vorgenommen hat, die Idee des Westens mit seinen Freiheitsrechten und seiner Demokratie rundzuerneuern. Was wiederum auf die Europäer so wirkt, als habe jemand mitten im kalten Winter das Fenster geöffnet.

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