HomeCannabis-Club in Marzahn: Darum hatte es Berlins erste Anbauvereinigung so schwer Berliner Cannabisklub: Genusskonsumenten verursachen kein Chaos – „Friedrich Merz wird das auch realisieren“ Im Interview spricht die Vorstandsvorsitzende der ersten Anbauvereinigung Berlins über Vorurteile gegenüber Cannabis, die erste Ernte und Drohungen von Friedrich Merz.Johann Voigt30.01.2025 06:29 UhrJana Halbreiter, die Vorstandsvorsitzende der Green Leaf Society, gibt Cannabis an die Mitglieder der Anbauvereinigung aus.dpaSeit dem 1. April 2024 sind der Anbau und die Vergabe von Cannabis legal – vorausgesetzt, man hält sich an die Regeln. Jana Halbreiter gründete zusammen mit Freundinnen eine Anbauvereinigung und bekam in Berlin-Marzahn vor allen anderen eine Genehmigung. Im Januar durften die Mitglieder zum ersten Mal ihre eigene Ernte rauchen. Im Interview mit der Berliner Zeitung spricht Halbreiter über Vorurteile der Politik gegenüber Cannabis, darüber, was eine Anbauvereinigung mit einem Start-up zu tun hat. Und sie erklärt, warum sie nicht daran glaubt, dass Friedrich Merz die Legalisierung zurücknimmt.Frau Halbreiter, im Januar ernteten ihre Mitglieder zum ersten Mal legal angebautes Cannabis. Wo, das halten Sie geheim. Wovor haben Sie Angst?Es könnte Einbrüche oder Sachbeschädigungen geben. So was ist uns noch nicht passiert und Angst haben wir auch nicht. Aber Vorsicht ist für uns besser als Nachsicht.Cannabis auf Rezept: Online-Ärzte ersetzen den DealerVon Cedric RehmanBerlin28.01.2025Es könnte also passieren, dass Ihnen jemand die Ernte stiehlt, wenn Sie unvorsichtig werden?Genau, oder unsere Gerätschaften.Wie sieht so ein Anbauraum aus?Sie sind jeweils etwa elf Quadratmeter groß. Darin stehen hauptsächlich Pflanzen und Lampen. Es ist nichts Besonderes. Man sollte sich da keine Illusion machen.Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, einen Anbauverein zu gründen?Ich habe zusammen mit Freundinnen die Pressekonferenz von Karl Lauterbach (SPD) und Cem Özdemir (Grüne) gesehen, in der es um Cannabis Social Clubs ging. Damals wurden sie noch so genannt. Die Idee ist bekannt aus Spanien. Volljährige Mitglieder dürfen in den Klubs legal Cannabis konsumieren. Es wäre super, wenn es so was auch in Deutschland gibt, dachte ich damals. Wir haben dann geschaut, was für Cannabis Social Clubs schon so am Entstehen waren, und haben gemerkt: Mit deren Inszenierung fühlen wir uns nicht wohl. Wir wollten es besser machen.Was hat Sie bei anderen Klubs gestört?Uns hat die Aufklärung gefehlt. Und wir haben uns als Frauen nicht willkommen gefühlt. Da wurden irgendwelche Klischees reproduziert, es gab Bilder von Bling-Bling und Schlagringen. Es war alles sehr maskulin.Ist Gras zu rauchen ein Männerding?Es ist ja in vielen Lebensbereichen so, dass sie öffentlich eher männlich besetzt sind. Wir wollten deswegen einen weiblichen Touch in die Cannabis-Szene bringen.Wie ging es weiter, nachdem Sie die Pressekonferenz von Özdemir und Lauterbach gehört hatten?Wir haben einen Verein gegründet. Als im Juni 2023 dann ein Referentenentwurf des Gesetzes veröffentlicht wurde, waren wir schockiert.Warum das?Es gab zu viele Verbote, das machte mitunter gar keinen Sinn. Es hatte nichts mehr mit den spanischen Social Clubs zu tun. Der Entwurf war das Gegenteil von dem, was bei der Pressekonferenz verkündet wurde. Der gemeinsame Konsum in sicheren Räumen war in dem Entwurf zum Beispiel nicht mehr vorgesehen, sondern verboten.Sie sind trotzdem drangeblieben.Wir haben uns mit anderen Klubs und Vereinen getroffen und den Bundesverband der Cannabis-Anbauvereinigungen Deutschlands e.V gegründet. Wir wollten die Idee nicht einfach sterben lassen. Wenn sich niemand um legale Angebote kümmert, bleibt es ja beim Cannabis-Schwarzmarkt.Gab es in der Zeit Politikerinnen und Politiker, die auf Sie zugegangen sind?Die gesundheitspolitischen Sprecher einiger Parteien waren zwar sehr zugänglich, aber unsere Anmerkungen waren im finalen Gesetzentwurf trotzdem nicht abgebildet. Unsere Perspektive wurde kaum berücksichtigt.Was wurde nicht berücksichtigt?Wichtig war uns die Möglichkeit des gemeinsamen Konsums innerhalb der Anbauvereinigungen. In jeder Raucherkneipe wäre es erlaubt, insofern das Hausrecht eingehalten wird. Aber uns wird es untersagt? Das ergibt keinen Sinn. Es wäre auch eine Möglichkeit der sozialen Kontrolle. Man kann gemeinsam aufeinander achten.PrivatZur PersonJana Halbreiter (36) ist Betriebswirtin aus Berlin. Sie ist Vorstandsvorsitzende der ersten zugelassenen Berliner Anbauvereinigung Green Leaf Society e.V. in Marzahn-Hellersdorf. Außerdem engagiert sie sich als Vorstandsmitglied im Bundesverband der Cannabis-Anbauvereinigungen Deutschlands e.V.Dann wurde das Gesetz im April 2024 endgültig verabschiedet. Wie ging es weiter?Wir haben uns alle gesetzlichen Auflagen angeschaut. Uns war schnell klar: Wir schaffen das nicht, wenn wir mit einem Joint in der Hand ums Lagerfeuer tanzen. Es war richtig viel Arbeit und strukturelle Planung. Man kann es mit der Gründung eines Start-ups vergleichen. Nur Geld verdient niemand.Was mussten Sie alles beachten, um Gras anbauen zu können?Wir mussten uns unter anderem mit dem Bauamt, Datenschutz, Arbeitsschutz und Brandschutz beschäftigen. Auch das Finanzamt spielte eine Rolle. Auf all den Gebieten mussten wir uns auskennen, um rechtskonform zu handeln. Es wird einem viel Wissen abverlangt.Sie sind der erste Verein, der anbauen darf. Noch bevor entschieden wurde, dass die Unterlagen in Berlin beim Lageso eingereicht werden müssen. Wie haben Sie das geschafft?Am Anfang lag die Zuständigkeit bei den Bezirken. Wir leben in Deutschland, irgendjemand muss ja verantwortlich sein, nachdem ein Gesetz verabschiedet wurde. Wir haben also den Antrag im Bezirksamt Marzahn eingereicht und haben uns dann eine Pause vom Thema Cannabisverein gegönnt.Wie lange hat es gedauert, bis Sie die Lizenz bekommen haben?Insgesamt hat es sechs Wochen gedauert. Wir haben von unserer Lizenz dann aus der Presse erfahren, erst danach war das Schreiben bei uns im Briefkasten. Damit war es natürlich nicht getan. Wir mussten uns weiter mit den Behörden absprechen und auch unsere Mitglieder schulen.Cannabisclubs in Berlin dürfen anbauen: Das Chaos geht trotzdem weiterVon Elmar Schütze, Johann Voigt29.10.2024Sie mussten die Mitglieder schulen?Klar war: Es dürfen 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm im Monat ausgegeben werden. Alle wussten auch, dass eine Anbauvereinigung maximal 500 Mitglieder haben darf und man sich an Regeln halten muss. Aber was das für Regeln sind, das wussten die wenigsten. Kein Konsum in den Anbauräumen. Kein Konsum im Umkreis von 100 Metern um die Anbauvereinigung. Man muss immer seinen Ausweis parat haben.Empfinden Sie das als restriktiv?In Teilen ja. Wobei das ursprüngliche Gesetz gar nicht mit so vielen Restriktionen verbunden ist. Die Länder kamen dann jeweils mit zusätzlichen Auflagen. In der Gesetzesbegründung stand, dass der bürokratische Aufwand für die Anbauvereinigungen verhältnismäßig sein müsse. Das ist er in der Realität nicht. Wir haben ein 120-seitiges Konzept geschrieben, was ursprünglich nur für uns intern gedacht war. Bayern hat damit angefangen, aufwendige Konzepte für die Antragstellung zu fordern. Alle anderen haben nachgezogen.Worum ging es in diesem 120-seitigen Konzept?Wir mussten viele Fragen beantworten. Was machen wir, wenn das Cannabis nicht abgabefähig ist? Wie sichern wir die Anbauflächen? Wie tragen wir Sorge dafür, dass keine Minderjährigen an unser Cannabis kommen? Wie tragen wir Sorge dafür, dass wir alle Gesetze einhalten und zum Beispiel auch dazu in der Lage sind, auf Notfälle zu reagieren? Und so weiter. „Es gibt das Stigma des Cannabiskonsumenten, der am Rand der Gesellschaft steht“ Sollte die Gründung von Anbauvereinigungen in Berlin verunmöglicht werden?Das Gefühl habe ich nicht. Es besteht einerseits der Wunsch, dass es Anbauvereinigungen gibt. Andererseits gibt es auf behördlicher und politischer Seite eine große Angst davor, dass das Konzept missbraucht wird.Ist diese Angst gerechtfertigt?Sie hat viel mit Vorurteilen zu tun. Es gibt immer noch das Stigma des Cannabiskonsumenten, der am Rand der Gesellschaft steht und nichts auf die Reihe bekommt. Dieses Vorurteil spiegelt sich auch im politischen Umgang mit Cannabisklubs wider.Was für Menschen werden Mitglied einer Anbauvereinigung?Unser ältestes Mitglied ist über 70, unser jüngstes Mitglied ist 25. Es sind Menschen quer durch die Gesellschaft vertreten. Es sind ja keine Hardcorekonsumenten in einer Anbauvereinigung. Das sind vor allem Menschen, die Cannabis legal beziehen wollen, anstatt es in irgendwelchen Parks zu kaufen oder mit kriminellen Strukturen zu tun zu haben.Im Januar haben Sie zum ersten Mal geerntet. Wie haben Sie sich gefühlt?Es war ein wahnsinnig schönes Gefühl. Es war aber auch ein bisschen surreal, dass wir es geschafft haben. Unsere Mitglieder hatten alle ein Hochgefühl, niemand muss mehr Medikamentenmissbrauch betreiben und sich illegal von einem zwielichtigen Online-Arzt ein Rezept erschleichen oder sich illegal Cannabis im Park kaufen. Und es muss auch niemand zu Hause anbauen. Ein Anbauzelt nimmt viel Platz weg, in Berlin herrscht Mangel an großen Wohnungen, das passt selten zusammen.Mit 15 abhängig von Cannabis: „In meinen Kontakten habe ich mehr Dealer als Freunde“Von Christian SchwagerBerlin28.03.2024Und dann haben Sie Ihre Ernte erst mal getestet. War sie denn gut?Unsere Mitglieder waren sehr zufrieden mit der Qualität. Und vor allem konnten Sie sicher sein, dass es in Berlin gewachsen ist, nicht mit synthetischen Cannabinoiden versehen wurde. Es ist sauber.Wie viel Cannabis bauen Sie jetzt an?Wir produzieren nur nach Bedarf. Unsere Mitglieder können alle drei Monate entscheiden, wie viel Gramm sie für die nächsten drei Monate haben möchten.Was müssen sie dafür tun?Alle packen mit an, setzen Samen, gießen. Jedes Mitglied muss mindestens eine Stunde pro Monat mitarbeiten. Der gemeinschaftliche Anbau ist vergleichbar mit der einer LPG früher.Es herrscht nicht Sodom und Gomorrha in Deutschland, nur weil Genusskonsumenten nicht mehr in den Knast gesteckt werden können.Jana HalbreiterFriedrich Merz hat angekündigt, die Cannabislegalisierung zurücknehmen zu wollen, sollte er Kanzler werden. Was halten Sie davon, dass er das Konzept kippt?Die politischen Mühlen und die bürokratischen Mühlen mahlen langsam. Gesetzentwürfe brauchen lang. Das haben wir in den letzten Jahren gelernt. Nur weil jemand etwas vollmundig ankündigt, wird es morgen nicht wahr. Gesetze zu ändern oder zurückzunehmen, das dauert. Ich glaube, der Blick auf Anbauvereine wird nach und nach realistischer.Sie haben also keine Angst vor Merz?Es herrscht nicht Sodom und Gomorrha in Deutschland, nur weil Genusskonsumenten nicht mehr in den Knast gesteckt werden können oder ihren Führerschein verlieren. Friedrich Merz wird das innerhalb der nächsten Monate auch realisieren.