PolitikDeutschland Schärfere Migrationspolitik? Die 3 Knackpunkte des CDU-Plans Nina Werkhäuser29.01.202529. Januar 2025Nach der Messerattacke von Aschaffenburg will die CDU mit einem Fünf-Punkte-Plan das Migrationsrecht drastisch verschärfen. Asylsuchende sollen an den Grenzen abgewiesen werden. Doch es gibt rechtliche Hürden. https://p.dw.com/p/4pl95Deutschland kontrolliert bereits heute alle LandesgrenzenBild: Roberto Pfeil/dpa/picture allianceAnzeigeDie Unionsparteien CDU und CSU fordern schon länger eine striktere Migrationspolitik. Der Messerangriff eines ausreisepflichtigen Afghanen auf eine Kindergruppe in Aschaffenburg mit zwei Toten hat die Debatte noch einmal verschärft. CDU-Chef Friedrich Merz hat einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt, der die illegale Migration beenden soll. Im Fall eines Siegs bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar will der Kanzlerkandidat der Unionsparteien diesen Plan möglichst schnell umsetzen. Doch es gibt rechtliche Hürden: Das Asyl- und Migrationsrecht ist nicht nur national, sondern auch durch das Europarecht geregelt. Hier drei mögliche Knackpunkte: CDU und CSU fordern, zur Eindämmung der illegalen Migration alle deutschen Staatsgrenzen dauerhaft zu kontrollieren. Ist das nach EU-Recht möglich? Grenzkontrollen sind innerhalb des sogenannten Schengen-Raums, dem Deutschland angehört, im Normalfall nicht vorgesehen. Der Schengener Grenzkodex erlaubt befristete Ausnahmen nur „im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“. Auf dieser Grundlage finden bereits Grenzkontrollen statt, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach dem Attentat von Solingen im August angeordnet hatte. Der mutmaßliche Täter war ein Asylbewerber aus Syrien, der längst nach Bulgarien hätte abgeschoben werden sollen.   Die Kontrollen begannen am 16. September 2024 an den Grenzen Deutschlands zu Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Dänemark. Sie sind auf sechs Monate befristet. Zuvor hatte Innenministerin Faeser bereits Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet, um die irreguläre Migration einzudämmen. Seit letztem Herbst werden also alle deutschen Grenzen kontrolliert.  Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest am 24. August 2024 mit drei Toten liegen in der Nähe des Tatorts Blumen auf dem GehwegBild: Christoph Reichwein/dpa/picture alliance Grenzkontrollen, die der EU-Kommission und den Nachbarstaaten gemeldet werden müssen, sind laut EU-Recht die „Ultima Ratio“ und immer nur befristet möglich. Dauerhafte Grenzkontrollen an allen deutschen Staatsgrenzen, die mehr als 3800 Kilometer umfassen, sind nicht zulässig, da offene Binnengrenzen im Regelwerk der EU einen hohen Stellenwert genießen.  CDU und CSU verlangen ein „faktisches Einreiseverbot für alle Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen“. Das gelte auch für solche, die „ein Schutzgesuch äußern“, also in Deutschland Asyl beantragen wollen. Ist das rechtlich zulässig?  Nach EU-Recht ist der Mitgliedsstaat für das Asylverfahren zuständig, in dem der Schutzsuchende sich zuerst aufgehalten hat. Wer auf dem Landweg nach Deutschland kommt, hat also in jedem Fall vorher ein anderes EU-Land betreten und müsste eigentlich dort das Asylverfahren durchlaufen. So regelt es die sogenannte Dublin-III-Verordnung. Sie legt aber auch ein bestimmtes Verfahren fest. Demnach kann Deutschland nicht einfach alle Asylsuchenden an der Grenze zurückweisen. „Das europäische Recht sieht vor, dass man die Leute erstmal einreisen lässt“, sagte Migrationsrechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz, der Nachrichtensendung Tagesschau. „Dann bekommen sie ein Verfahren, und dann kann man versuchen, die Menschen in die zuständigen Länder zurückzuschicken.“ Zentrales Element in diesem Verfahren ist ein persönliches Gespräch, in dem geprüft wird, welches Land für das Asylverfahren zuständig ist. Selbst wenn der Asylsuchende sich zuvor in einem anderen EU-Land aufgehalten hat, könnte in bestimmten Fällen Deutschland zuständig sein. Zum Beispiel, wenn ein anderes Mitglied der Kernfamilie bereits ein Asylverfahren in Deutschland durchläuft. Nationales Recht müsse in der Migrationspolitik Vorrang haben, fordert CDU-Chef Friedrich Merz Bild: Christoph Hardt/Panama Pictures/picture alliance Würde man alle Asylsuchenden ausnahmslos an der Grenze abweisen, wären außerdem weitere Konflikte mit Deutschlands Nachbarländern programmiert. Denn auch sie sind nach den Dublin-Regeln zumeist nicht zuständig für das Asylverfahren, sondern Länder wie Bulgarien, Griechenland oder Spanien. Österreich hatte bereits im Herbst angekündigt, keine von Deutschland zurückgewiesenen Migranten „zurückzunehmen“.  Könnte Deutschland eine nationale Notlage erklären, damit es von den europäischen Regeln für das Asylrecht abweichen darf? Grundlage für diese Argumentation ist der Artikel 72 des EU-Arbeitsweisevertrags (AEUV). Dieser gebe Deutschland das Recht, in Bezug auf die Migration eine nationale Notlage zu erklären und somit von den EU-Asylregeln abzuweichen – das hatte CDU-Chef Merz bereits nach dem Anschlag von Solingen Ende August erklärt. In ihrem Fünf Punkte-Plan betonen CDU und CSU, es sei Deutschlands Pflicht, „nationales  Recht vorrangig anzuwenden, wenn europäische Regelungen nicht funktionieren“.  Doch so einfach lässt sich das nicht umsetzen. Die Bundesregierung müsste dafür zuerst nachweisen, dass Deutschland tatsächlich in einer Notlage ist, dass also eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit besteht. Das könnte schon deshalb schwierig werden, weil durch die umfassenden Grenzkontrollen die irreguläre Migration bereits deutlich reduziert wurde. „Ein Großteil der irregulären Einreisen konnte durch Zurückweisungen verhindert werden“, heißt es aus der SPD-geführten Bundesregierung, die Merz‘ Vorschlag eine Absage erteilte.   Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg legt strenge Regeln an, wenn sich ein Mitgliedsland auf eine Notlage beruftBild: Horst Galuschka/dpa/picture alliance Sollte Merz selbst Kanzler werden, müsste seine Regierung gute Argumente finden, um eine Notlage zu belegen, etwa die Überlastung des Asylsystems oder die begangenen Anschläge und Straftaten. Doch die Hürden sind hoch: Die Aktivierung der Ausnahmeklausel wird durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) kontrolliert, und der handhabt die Anwendung restriktiv. Bisher scheiterten alle Versuche von Mitgliedsstaaten, sich vor dem EuGH auf eine Notlage zu berufen.  Ein deutscher Alleingang in der Migrationspolitik könnte allerdings einen anderen Effekt haben: Er könnte eine Reform des EU-Asylsystems beschleunigen, das viele Mitgliedsstaaten als höchst ineffizient kritisieren. In dem Moment, in dem Deutschland die Grenzen auch für Asylsuchende dichtmacht, „werden natürlich auch andere europäische Länder dasselbe machen“, prophezeit der Jurist und Migrationsexperte Daniel Thym. „Und dann muss man sich in Brüssel sehr schnell zusammensetzen und sich die Frage stellen, wie man das europäische Asylrecht ganz grundsätzlich neu aufzieht.“ Nina Werkhäuser Autorin und ReporterinSchicken Sie uns Ihr Feedback!Ihr FeedbackAnzeige

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