HomeInternationalesTrumps Vorbild aus dem 19. Jahrhundert: Wer ist William McKinley? Trumps Vorbild aus dem 19. Jahrhundert: Wer ist William McKinley? Um den amerikanischen Präsidenten zu verstehen, bedarf es des Blicks in vergangene Jahrhunderte. Zu Trumps Idolen gehört nämlich William McKinley – der 25. Präsident der USA.Frank Herrmann29.01.2025 14:31 UhrWilliam McKinleyEverett Collection/imagoMan solle Republikaner wählen, warb der Kongressabgeordnete, denn nur so bekenne man sich zur Schutzpolitik, „nur so unterstützt man die amerikanische Industrie, steht man zu einem Programm, das an amerikanische Arbeit für amerikanische Arbeiter glaubt, an amerikanische Löhne für amerikanische Arbeiter, an amerikanische Wohnhäuser für amerikanische Bürger“. Mit der Schutzpolitik waren Zölle auf Importe gemeint, und der Abgeordnete, der sich am beharrlichsten für sie einsetzte, gewann enorm an Profil, als das Parlament sie 1890 verabschiedete.Mit dem „McKinley Tariff“, wie das Gesetz inoffiziell hieß, beschloss die Legislative die höchsten Zollsätze in der Geschichte der Vereinigten Staaten – bis zu 49,5 Prozent Aufschlag auf ausländische Waren. Bald darauf wurde William McKinley zum Gouverneur des Bundesstaates Ohio gewählt, sechs Jahre später zum Präsidenten der USA. Seiner ersten Amtszeit folgte nach der Wiederwahl eine zweite, die allerdings tragisch endete. Am 6. September 1901, als er in Buffalo eine Weltausstellung besuchte, trafen ihn Schüsse aus dem Revolver des Anarchisten Leon Czolgosz. Acht Tage später erlag er seinen Verletzungen. Die Teetasse, aus der er den letzten Schluck vor dem Attentat nahm, ist heute im Museum of American History zu sehen, dem Geschichtsmuseum an der National Mall, der Prachtmeile Washingtons.McKinley bei seiner Antrittsrede als 25. Präsident, 1897Photo12/imago William McKinley: Ein Unbekannter in der Geschichte der USA? Nach seinem Tod geriet McKinley schnell in Vergessenheit – abgesehen davon, dass der höchste Berg Nordamerikas seinen Namen trug, bevor Barack Obama ihn 2015 in Denali umbenannte, nach der Bezeichnung der Ureinwohner für den Gipfel in Alaska, was Donald Trump jetzt rückgängig machte. Zu blass wirkte er gegenüber Theodore Roosevelt, seinem hemdsärmeligen Nachfolger, dessen Konterfei man neben George Washington, Thomas Jefferson und Abraham Lincoln ins Felsgestein des Mount Rushmore meißelte. In öffentlichen Debatten kam der Name McKinley praktisch nicht mehr vor. Bis Trump den Vergessenen aus der Rumpelkammer holte.Trump als Vorteil für deutsche Wirtschaft? „Müssten Fachkräfte von den US-Unis abwerben“Von Lukas KuiteInternationales27.01.2025„In den Worten eines großen, deutlich unterbewerteten Präsidenten, William McKinley, hat die Schutzzollpolitik der Republikaner das Leben unserer Landsleute süßer und heller gemacht“, schwärmte Trump im vergangenen September vor Wirtschaftsvertretern in New York. Auf Wahlkampfbühnen erklärte er das Wort Zoll zu seiner Lieblingsvokabel – „Es klingt fast noch schöner als Liebe“ – und die Zollbarrieren des in seinen Augen krass Unterschätzten zum Segen für Amerika. „Sie haben unser Land reich gemacht. Geht mal zurück in die 1880er-, 1890er-Jahre, zu McKinley, und schaut euch die Zölle an. Das war die Zeit, als wir, im Verhältnis gesehen, am reichsten waren.“Es ist nicht das erste Mal, dass sich Trump auf Politiker des 19. Jahrhunderts beruft, um sein „America first“ einzubetten in die Geschichte der Republik. Andrew Jackson, der siebte Präsident der USA, von 1829 bis 1837 im Amt, dient ihm schon seit längerem als Leitfigur für den Kampf gegen ein vermeintlich abgehobenes Establishment. Schon 2017 ließ er ein Bild des Südstaatlers aus Tennessee ins Oval Office hängen, während er über Jackson sagte, der Mann habe eine arrogante Elite herausgefordert – ob das nicht vertraut klinge.Andrew Jackson – ein weiteres von Trumps präsidentiellen VorbildernGRANGER/imagoOld Hickory, wie sie ihn nannten, pflegte den Habitus eines Antiintellektuellen und legte sich, den unerschrockenen Sprecher der Provinz gebend, mit der reichen, machtverwöhnten Oberschicht der Ostküste an. Kein Zufall, dass er Trump, der zwar New Yorker ist, sich aber von der Geschäftselite, vom alten Geld seiner Heimatstadt nie wirklich akzeptiert fühlte, seit ein paar Tagen wieder – in Öl gemalt – über die Schulter schaut, wenn der an seinem Schreibtisch sitzt. War Jackson Trumps Idol der ersten Amtszeit, so scheint in der zweiten McKinley seinen Platz einzunehmen, zumindest auf einer Stufe mit ihm zu stehen. Donald Trump kennt keine Vorzugsbehandlung für Alliierte Dass sich ein amerikanischer Präsident des 21. Jahrhunderts auf Vorbilder im 19. Jahrhundert beruft, hat Seltenheitswert, natürlich mit Ausnahme Lincolns, des Befreiers der Sklaven und Retters der Union, der als Lichtgestalt über allen anderen thront. Indem Trump derart weit zurückgeht auf der Suche nach Leitfiguren, distanziert er sich offenkundig vom Amerika des 20. Jahrhunderts, das nach 1945 maßgeblich an jener liberalen, regelbasierten internationalen Ordnung mitbaute. William McKinley kannte keine Verbündeten, für die es im Rahmen fester Allianzen einzustehen galt. Donald Trump kennt keine Vorzugsbehandlung für Alliierte, in denen er zuallererst Konkurrenten sieht, von Einzelfall zu Einzelfall mal nützlich, mal einfach nur Gegner.„Sie sind gefeuert!“: Trump entfernt mehr als 1000 Mitarbeiter aus dem RegierungsapparatVon Alexander SchmalzAusland21.01.2025Dass bei den Republikanern kaum noch jemand wagt, seinen Zolldrohungen zu widersprechen, zeigt nur, wie gründlich er eine Partei beherrscht, die noch unter Mitt Romney, im Jahr 2012 ihr Kandidat fürs Weiße Haus, im schrankenlosen Handel der Globalisierung ein „win-win“ für alle Beteiligten gesehen hatte. In Trumps Weltsicht gibt es stattdessen nur Nullsummenspiele: Gewinnt der eine, ist der andere zwangsläufig der Verlierer. In dem Punkt scheint McKinley eine Art Mentor zu sein, ein Jurist aus der mittelwestlichen Provinz, aus der Stadt Canton in Ohio, der sich keinen Illusionen hingab, was die Härte des internationalen Geschäfts betraf.Seinerzeit waren die Republikaner die deutlich protektionistischere der beiden großen Parteien. Resolut setzten sie auf hohe Einfuhrzölle, mit denen die preisgünstige Konkurrenz aus dem Ausland abgewehrt werden sollte, Rindfleisch aus Argentinien, Kleidung und Maschinen aus Europa, Holz und Kohle aus Kanada. Zwar waren Zölle zum Schutz der heimischen Industrie bereits 1864 unter Lincoln eingeführt worden, doch erst McKinley trieb es auf die Spitze.Donald Trump im Oval Office. Im Hintergrund das Portrait Jacksons.AdMedia/imagoAn Gegenstimmen fehlte es damals schon nicht. An Warnungen, nach denen Zölle die Preise steigen lassen, teils drastisch, sodass am Ende amerikanische Konsumenten die Zeche bezahlen. Nachdem der Kongress den „McKinley Tariff“ beschlossen hatte, waren es die Demokraten, die vor den Folgen für den Geldbeutel warnten. Damit erzielten sie Wirkung, das Präsidentschaftsvotum des Jahres 1892 gewann einer von ihnen, Grover Cleveland. Dann rutschte die Wirtschaft in eine Krise, was die Anhänger hoher Importzölle wieder im Aufwind segeln ließ. 1896 bestritt McKinley seinen Wahlkampf in der Rolle des Patrioten, der mit seinem handelspolitischen Abwehrbollwerk nationale Größe anstrebte, während er den Demokraten eine geistige Nähe zu Anarchisten und linken Revolutionären unterstellte – auch dies übrigens eine Vorlage für Trumps Duelle ums Weiße Haus. Damals Hawaii und Guam, heute Grönland und Panama? Dann wären da noch die imperialen Ambitionen des Präsidenten McKinley. Der befahl eine bewaffnete Intervention auf Kuba, womit die USA der geschwächten Kolonialmacht Spanien den Krieg erklärten. Auch von den Philippinen ließ er die Spanier vertreiben, dann aber die eigene Armee brutal gegen Aufständische vorgehen. Zudem annektierte er im Pazifik Hawaii und Guam und in der Karibik Puerto Rico. Während er die Attacken im typischen Ton seiner Epoche damit begründete, dass man allen Völkern den „Segen der Freiheit und der Zivilisation“ bringen wolle, sah Mark Twain einen skrupellosen Imperialisten am Werk, der das Credo der im Kampf gegen die britische Kolonialmacht entstandenen amerikanischen Republik verriet, indem er den europäischen Mächten mit ihren kolonialen Eroberungen nacheiferte.J.D. Vance im ersten Interview: „Ich will diese Person nicht in meinem Land haben“Von Katerina AlexandridiInternationales27.01.2025Trump auf den Spuren eines Vorgängers mit imperialen Ambitionen, das kommt überraschend, bedenkt man den Tenor seiner ersten Amtszeit. So laut er oft polterte, in der Sache stand er eher für eine Realpolitik, die auf bewaffnete Abenteuer in der Ferne verzichtete, wenn sie nicht sogar einen isolationistischen Rückzug vom Weltgeschehen pflegte. Bedeutet die Wahl des neuen Idols einen Kurswechsel? Was ist von Trumps Außenpolitik zu erwarten, wenn er das Erbe McKinleys ausgräbt?Seine Ideen mit Blick auf Grönland oder den Panamakanal wirken tatsächlich wie ein direkter Bezug auf die territoriale Expansion, für die der Politiker aus Ohio stand. Nur bleibt offen, was der Rhetorik an Taten folgt. Handelt es sich um den denkbar lautesten Ton, mit dem denkbar harte Verhandlungen eingeleitet werden, bevor das Tauziehen mit Kompromissen endet? Geht es Trump nur darum, die Rohstoffe Grönlands durch amerikanische Konzerne erschließen zu lassen und die Kosten für das Passieren des Panamakanals für amerikanische Schiffseigner deutlich zu senken? Oder denkt er wirklich an territoriale Ausdehnung? Seriös lassen sich solche Fragen im Moment nicht beantworten, jedenfalls nicht durch Außenstehende, die dem innersten Machtzirkel des Weißen Hauses nicht angehören.Schiffe beim Durchqueren des PanamakanalsDiego Lezama/imago McKinley: „Handelskriege sind unrentabel“ David Brooks, ein altgedienter Kolumnist der New York Times, sieht im Rückgriff auf die McKinley-Jahre das Beschwören einer Zeit, in der Amerika nach vorn galoppierte, vergleichbar einer Herde wilder Pferde, ohne dass es sich Zügel anlegen ließ. „Wir waren eine übermütige, aufstrebende Nation, voller Energie und Prahlerei, mit viel neuem Geld“, schreibt Brooks. Es sei dieses Image, „ein wildes, raues, ehrgeiziges Amerika“, das Trump gefalle. Greg Grandin, Historiker der Universität Yale, betont seinerseits die Gefahren geopolitischer Zügellosigkeit.Überleben in Grönland: Was will Trump an einem der schönsten Plätze der Welt?Von FranzobelInternationales26.01.2025Indem Trump Außenpolitik nach dem Muster des Brettspiels „Risiko“ betreibe, signalisiere er der Welt, dass nun neue Regeln gelten, die in Wahrheit sehr alte Regeln seien. „Die Mächtigen machen, was sie wollen. Die Schwachen erleiden, was sie nun mal zu erleiden haben.“ Bei all ihren Schwächen und Scheinheiligkeiten habe die globale Ordnung, wie sie am Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden sei, doch immerhin den Gedanken, dass Kooperation und nicht Aggression der Ausgangspunkt von Diplomatie sein sollte, in den Vordergrund gestellt.Ein imperialer Donald Trump, der in Amerikas imperialer Phase am Ende des 19. Jahrhunderts eine Blaupause für eigenes Handeln sieht? Es bleibt abzuwarten, einstweilen ist McKinley für Trump wohl vor allem „the tariff man“, der Mann der Zölle. Dabei hatte er gegen Ende seines Lebens, am Tag vor dem Attentat von Buffalo, eine nachdenkliche Rede gehalten und die Wirksamkeit kräftig geschwungener Zollkeulen relativiert. „Handelskriege sind unrentabel“, räumte er ein, einen Sinneswandel andeutend. „Eine Politik des guten Willens und freundlicher Handelsbeziehungen wird Gegenschläge verhindern. Verträge zum beiderseitigen Vorteil vertragen sich mit dem Zeitgeist, Maßnahmen der Vergeltung dagegen nicht.“ Lesen Sie mehr zum Thema InternationalesWirtschaftAuslandGeopolitikPolitikUS-Wahl 2024Donald TrumpBundestagswahlGrönlandWahlkampf