Modetrend-Verfall: Smartwatch-Kontrollwahn 💀
Niedergang formeller Anlassmode [Krawattenzwang] durch (überflüssige) Smartwatches UND…
Modetrend-Verfall: Smartwatch-Kontrollwahn 💀
Niedergang formeller Anlassmode [Krawattenzwang] durch (überflüssige) Smartwatches UND…
ORIGINALTEXT: HomeBerlinSmart, aber unsexy: Die Smartwatch erobert Berliner Handgelenke Smart, aber unsexy: Die Smartwatch erobert Berliner Handgelenke Wenn der Frühling kommt, liegen auch in Berlin die Handgelenke wieder frei. Nun kommt ans Licht, was lange verborgen war: die übergriffigste Uhr aller Zeiten!Sabine Röthig13.04.2025 17:08 UhrKontrolle rund um die Uhr: Smartwatches nehmen dem Leben die Lässigkeit.Fabian Albert/unsplashEin Mann spricht in seine Uhr. Er trägt hautenge Sportkleidung und schwitzt, ein wichtiger Call scheint ihn während des Joggens ereilt zu haben. Smartwatch sei Dank, hängt er jetzt in Klamotten aus Plastik im Entscheider-Meeting. Wo ist die Krawatte, der Suit, der Chronograph? Was soll denn bitte aus einer Gesellschaft werden, in der Zukunftslenker ihre Sitzungen in derart unwürdigen Outfits durchführen? Selbst Berliner sollten inzwischen wissen, dass Kleidungsstücke das Mindset beeinflussen.Nun hat der Niedergang formeller Anlassmode in den 2020er-Jahren verschiedene Gründe, doch die Smartwatch ist ein übler Beschleuniger dieses Verfalls textiler Werte. Erst durch sie sind die Menschen nämlich in wirklich allen Lebenslagen online – auch in jenen, in denen sie eigentlich nicht auf Sendung sein sollten. Joggen ist da noch harmlos. Smart o'clock: Angst vor Herzinfarkt und verpassten Calls Mit der vorgeblich klugen Uhr bekam das ebenfalls schon sehr kluge Phone, seines Zeichens Geißel der Menschheit Nummer eins, irgendwann einen nervigen kleinen Bruder an die Seite gestellt. Mit immer ausgefuchsterer Technik eroberte der hässliche Minicomputer peu à peu die Handgelenke der westlichen Hemisphäre und machte die Welt mit einem weiteren Display noch zweidimensionaler, als sie eh schon war.Kaum angeschnallt, brummt und bimmelt die Smartwatch munter vor sich hin und versorgt ihre Träger mit unangenehmen Nachrichten und beängstigenden Körpermessungen im Dauerstrom. Angst und Schrecken sind jedoch keine guten Begleiter für ein erfülltes Leben – und so entsteht ein Lifestyle, der extrem unsexy ist. Kein Wunder, dass den Leuten die Lässigkeit abhandengekommen ist und sie immer angespannter werden. Und wie sieht das überhaupt aus, wenn alle die gleichen Uhren am Arm tragen? Das erinnert doch stark an Plastikbändchen für Vollverpflegung auf schlimmen Gruppenreisen. Ganz Berlin im Cluburlaub mit geregelten Mahlzeiten. Guten Appetit!Wenn das Outfit sitzt, wirkt sogar ein albernes Gadget cool: David Hasselhoff mit einer Smartwatch in der Serie „Knight Rider“ (1982–1986).Universal TV/Everett Collection/UniversalDass sich vor allem Männer für die Smartwatch begeistern können, liegt an der maskulinen Liebe zum Gadget. Der Begriff beschreibt einen pfiffigen Gegenstand, der klein, praktisch und irgendwie technisch ist. Leider sind Gadgets meistens hässlich, weil sie von nerdigen Geeks entwickelt werden, die zwar um die Schönheit der Mathematik wissen, aber keinen Sinn für Formensprache haben. Steve Jobs, der sich seine schwarzen Rollis von Issey Miyake maßschneidern ließ, war da eine rühmliche Ausnahme. Deswegen waren Apple-Rechner zu seinen Lebzeiten auch die schönsten Computer der Welt. Ob Jobs heute eine Apple-Watch tragen würde? Man weiß es nicht, denn sie wurde erst 2014, drei Jahre nach seinem Tod, auf den Markt gebracht. Die Smartwatch im Knight-Rider-Kontext Den praktisch veranlagten Berlinern ist die Optik jedenfalls egal. Sie kennen sich aus in der Welt der Wearables – und paradoxerweise fühlen sie sich von der Technik nicht gegängelt, sondern durch sie erst befreit! Denn niemand kann sie stoppen, wenn sie, mit Smartwatch, Rollrucksack und Proviant um den Körper geschnallt, zum Feierabend auf ihren E-Bikes der heimischen Spielkonsole entgegenbrettern.Polizist Michael Knight aka David Hasselhoff besaß übrigens schon in den 80er-Jahren eine Smartwatch, in die er fleißig hineinsprach. Was den flotten TV-Ordnungshüter jedoch vom cleverem Uhrenträger anno 2025 in Berlin unterscheidet, ist sein Look: Statt abtörnender Funktionskleidung und langweiligen Turnschuhen trug er Schnürer aus Echtleder, Regular-Fit-Jeans mit breitem Gürtel, verwegen aufgeknöpfte Hemden und Jacken mit hochgestelltem Kragen. Total unpraktisch, aber ein echtes Mode-Statement. So ein bisschen Knight Rider könnte auch den Berliner Männern nicht schaden. Dann wäre sogar die unschöne Smartwatch im Gesamtkontext der Betrachtung ein zu vernachlässigendes Detail.Ist Ihnen auch etwas Unschönes in Berlin aufgefallen? Schreiben Sie uns! leser-blz@berlinerverlag.comPufferjacken, Hunger, Durst: Erlebnisse im ICE Berlin-ParisVon Sabine RöthigBerlin06.04.2025 Lesen Sie mehr zum Thema BerlinStilSteve Jobs