S Milliarden-Aufrüstung spaltet die EU: „Das ist nicht das Europa, das wir wollen!“ – AktuelleThemen.de

HomePolitikMilliarden-Aufrüstung spaltet die EU: „Das ist nicht das Europa, das wir wollen!“ Milliarden-Aufrüstung spaltet die EU: „Das ist nicht das Europa, das wir wollen!“ Während Brüssel über Milliarden für die Rüstungsindustrie entscheidet, formiert sich in Südeuropa eine starke Anti-Rüstungsbewegung. Was will dieser Protest erreichen?Franz Becchi12.04.2025 16:55 UhrMann des Volkes? Der frühere italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte stellt sich gegen die Aufrüstung des Kontinents.Italy Photo Press/imagoIn Brüssel scheint sich eine breite Einigkeit unter den 27 EU-Mitgliedstaaten abzuzeichnen: Europas Zukunft liegt in der Verteidigungsindustrie. Doch während die Regierungen den Kurs der EU-Kommission unterstützen, wächst der Widerstand gegen Aufrüstung, und dieser spaltet die Mitgliedstaaten der Union. Besonders im Süden Europas formiert sich eine Anti-Rüstungsbewegung. Was bedeutet das Phänomen?Für die Europäische Union (EU) geht es bei der Wiederaufrüstung um weit mehr als nur Sicherheit und Wirtschaft. Es verändern sich Machtverhältnisse und die Weltordnung: Mit Donald Trump im Weißen Haus steht das transatlantische Verhältnis auf der Kippe, und die EU fürchtet, ihren historischen Verbündeten zu verlieren. Das Bestehen der Union wird zunehmend als existenziell bedroht wahrgenommen, und die Zukunft erscheint ungewiss. Die Ukraine als Wendepunkt der europäischen Aufrüstung Die Friedensverhandlungen für eine Lösung des Ukrainekonflikts kommen nur schleppend voran – ein Waffenstillstand ist noch nicht in Sicht. In diesem Kontext wird die europäische Aufrüstung als notwendig erachtet, da die russische Bedrohung einen Notstand heraufbeschwöre, so die Befürworter der Aufrüstung, die insbesondere im Norden und Osten des Kontinents beheimatet sind.Der estnische Abgeordnete im EU-Parlament, Riho Terras, ist für eine europäische Aufrüstung.Scanpix/Imago„Ich sehe nicht, dass wir bislang Entscheidungen getroffen haben, die unsere Verteidigung wirklich verbessern“, sagt Riho Terras, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europäischen Parlament, gegenüber der Berliner Zeitung. Terras begrüßt einerseits das Vorhaben ausdrücklich, warnt jedoch: Am Ende entscheide jedes Land selbst, ob und wie es investiert – und genau hier liege die Schwäche.Anfang April stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten für das sogenannte „ReArmEU“-Paket. Es soll den Mitgliedstaaten ermöglichen, bis zu 800 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben zu mobilisieren. Doch die große Diskrepanz bei den Verteidigungsausgaben zwischen den Mitgliedstaaten verhindere bislang eine wirklich gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie, sagt der estnische Politiker.„Wir sind in existenzieller Gefahr – und deshalb bereit, mehr und sofort zu zahlen“, so Terras. Diese Haltung sei auch in der Bevölkerung seines Landes weit verbreitet. Tatsächlich investiert Estland über 3,3 Prozent seines BIP in Verteidigung – deutlich mehr als größere Nato-Staaten wie Italien (1,5  Prozent) oder Spanien (1,3  Prozent).Laut einer Umfrage von Euromedia Research sind mehr als 54 Prozent der Italiener gegen erhöhte Militärausgaben. Eine europäische Verschuldung überzeugt etwa 33 Prozent der Befragten. Die Opposition hat sich das gesellschaftliche Unwohlsein zunutze gemacht – doch die Rüstungsausgaben spalten gleichzeitig die Regierung. Koalitionspartner Matteo Salvini ist mit den Militärausgaben nicht einverstanden. Ein Dilemma für die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.Worte spielen bei der Debatte eine zentrale Rolle. Trotz interner Konflikte stimmte Melonis Partei „Brüder Italiens“ einheitlich für „ReArmEU“. Sie bestand jedoch darauf, dass der Name der Maßnahme geändert werde – nun heißt es „Readiness 2030“. Der ursprüngliche Name sei zu militaristisch, kritisierte auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Wiederaufrüstungspläne stoßen auf Widerstand. Italien protestiert für und gegen die EU-Aufrüstung Am vergangenen Samstag füllten sich die Straßen italienischer Städte von Rom bis Genua. Eine Demonstration, organisiert von der ehemaligen populistischen und anti-establishment Fünf-Sterne-Bewegung, die heute unter der Führung des ehemaligen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte eine progressivere Linie verfolgt. Der Rüstungsprotest war erfolgreich: Mehrere Zehntausend Menschen nahmen teil, auch eine Delegation des Partito Democratico (PD), der vom Rüstungskurs gespalten ist.Erst einige Wochen zuvor fand in Rom auf der Piazza del Popolo eine ebenso gut besuchte Demonstration unter dem Motto „Ein Platz für Europa“ statt. Initiiert vom Journalisten Michele Serra, sollte die Veranstaltung die europäischen Werte, Freiheit und Demokratie feiern. EU-Flaggen mischten sich mit ukrainischen Fahnen. Die internen Konflikte im progressiven Lager wurden offenbart: Der PD nahm ebenfalls teil, war sich bei den Abstimmungen in Brüssel jedoch uneinig. Die Militarisierung trifft auf Widerstand und bietet ein ansprechendes Potenzial für Wähler.Nicht nur national, sondern auch auf europäischer Ebene. Seit längerer Zeit organisiert die Fünf-Sterne-Bewegung Proteste gegenüber den EU-Institutionen in Straßburg und Brüssel. Dessen Präsident Conte spart auch nicht an Kritik gegenüber den Spitzen der Union. Die EU-Kommission würde, so Conte, die Spannungen mit Russland weiter anheizen, um die massiven Verteidigungsausgaben zu rechtfertigen.Sieg durch Krieg: Deswegen will die EU keinen Frieden in der Ukraine – ein KommentarGeopolitik04.04.2025Wie die EU die öffentliche Meinung in ihrem Sinn zu drehen versuchtPolitik20.03.2025„Eine Welle der Beteiligung hat die Gleichgültigkeit hinweggefegt – den Schmutz, die gleichgeschaltete Propaganda, den psychologischen Terror all jener, die von oben herabblicken und längst weit entfernt sind von den wirklichen Bedürfnissen der Menschen“, schrieb der frühere Ministerpräsident Italiens am Sonntag auf X. Seine pointierte und direkte Sprache findet Gehör bei den Bürgern.Schließlich ist die Unzufriedenheit gegenüber der EU in Italien gestiegen. In Rom verbrannten Teilnehmende eines separaten Studentenprotests am Tag vor dem Oppositionsprotest sogar EU-Flaggen. Ein Video, in dem italienische Studenten eine überdimensionierte blau-goldene Fahne anzündeten und danach auf ihr herumtrampelten, ging viral.Es sind nicht nur junge Idealisten, die sich übergangen fühlen. Brennende EU-Flaggen, das kannte man bisher vor allem aus besonders euroskeptischen Ländern wie Serbien oder Ungarn – und nun auch in Italien. Viele Europäer haben den Eindruck, dass ihre Interessen in Brüssel nicht mehr vertreten werden. Quo vadis, Europa?Una grande bandiera dell’Unione Europea è stata bruciata davanti al ministero dell’Istruzione durante il corteo degli studenti in corso a Roma nella giornata di mobilitazione nazionale del mondo della scuola e dell’università pic.twitter.com/hpHAPH6OAm— Local Team (@localteamit) April 4, 2025„Die Wirtschaft der Hauptländer Europas, wie Italien und Deutschland, ist auf Nullwachstum oder sogar in Rezession geraten. Dies ist nicht das Europa, das wir wollen“, sagt der Senator und Vizepräsident der Fünf-Sterne-Bewegung, Mario Turco, gegenüber der Berliner Zeitung.Seine Bewegung kritisiert die Aufrüstungspläne, schließt jedoch eine gemeinsame europäische Verteidigung nicht aus. Doch um dorthin zu gelangen, müsse man die bereits heute von den Staaten aufgewendeten Ressourcen effizient nutzen, gemeinsame und integrierte Projekte fördern und Skaleneffekte erzielen, so Turco. Ist der wahre Angriff auf Europa ökonomisch? Der europäische Plan würde laut Turco die Zersplitterung unter den Staaten hingegen verstärken und einzig den Umsatz und Gewinn der Rüstungsriesen steigern. „Die Wahrheit ist, dass der Angriff, vor dem sich Europa verteidigen muss, nicht militärischer Natur ist, sondern kommerzieller, wie die Zölle von Trump zeigen“, sagt Turco.Die Fünf-Sterne-Bewegung hat unter Conte endgültig ihre Position im linken Spektrum gefunden und profitiert von den Protesten gegen den Krieg, was ihre Zustimmungswerte steigen lässt. Doch handelt es sich dabei nur um eine kurzfristige Taktik? Nur die Zukunft wird zeigen, wohin sich eine Partei entwickeln wird, die mittlerweile Beppe Grillo, ihren Mitbegründer, zurückgelassen hat und sich von ihrer eigenen Vergangenheit distanziert. Die entscheidende Frage lautet nun, ob dieser Widerstand auch die nördlichen Länder der Union erreichen wird. Lesen Sie mehr zum Thema PolitikDonald TrumpEuropaUkraineEUBrüsselEU-KommissionItalienWirtschaftRom

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